Über Krieg, Elend, Hunger und Tod haben Zeitzeugen lange geschwiegen. So manchen machte die Scham sprachlos, andere waren nicht in der Lage, über ihre traumatischen Kriegserlebnisse zu berichten. An verschiedenen Orten geben heute Zeitzeugen unter dem Thema „Gegen das Vergessen“ Einblicke in ihre Kriegserlebnisse. Im Café Kännchen an der Ückendorfer Straße sitzen Alt und Jung zusammen, um Gertrud Küper zuzuhören.
Zweifel am Sieg gab es nicht
Sie war neun Jahre alt, als Deutschland Europa den Krieg erklärte. „Nach ein paar Tagen haben wir wieder Frieden, beruhigten uns die Eltern.“ Den Krieg wollte niemand, doch Zweifel am Sieg habe es nicht gegeben, erinnert sich die 83-Jährige. „Als auch Gelsenkirchen bombardiert wurde, haben wir uns die Trichter angesehen und Splitter gesammelt. In den Krater an der Ückendorfer Straße hätte man ein Eigenheim reinstellen können. Wir haben nicht darüber nachgedacht, dass Bomben Menschenleben vernichtet haben.“
Einen Stuhl und Köfferchen mit Habseligkeiten schleppten die Erwachsenen mit in den Bunker oder den Stollen am Dördelmannshof. Wer schlecht zu Fuß war, der blieb mitunter tagelang im Bunker, Angehörige brachten Essen. Gertrud Küper dachte an die Schule: „Ich habe immer meine Schultasche mit Heften mitgenommen. Wäre der Bunker getroffen worden, hätte ich alles nachschreiben müssen.“ Auch Kinder wurden dort geboren. Die Kleinsten schliefen in den Armen ihrer Mütter. Selten hat sie ein Kind weinen sehen, man hatte sich an den Krieg gewöhnt. Doch das Geräusch der Bomber rauscht mitunter heute noch durch ihre Ohren. In fast allen Wohnungen stand immer ein Eimer mit Löschwasser bereit. Die Angst vor den Brandbomben war allgegenwärtig.
Haben die Eltern weggeschaut, als immer mehr jüdische Freunde oder Schulkameraden verschwanden? Gertrud Küper glaubt, dass damals oft gelogen wurde und viele Erwachsene gewusst hätten, was mit Juden geschah. „Wir dachten, der hatte doch viel Geld und lebt jetzt vielleicht in Palästina.“
Zur Propaganda der Nazis gehörte auch die Einbindung der Jugendlichen in Organisationen wie BDM oder Hitlerjugend. Beim BDM fühlte sich Gertrud Küper wohl aufgehoben. „Es gab Flötenkurse, wir spielten Theater, gingen schwimmen.“
Beim bitteren Ende waren viele Frauen Witwen, Kinder Waisen und Halbwaisen. In der Stadt qualmte und staubte es in den Trümmern. Küper: „Als die Amerikaner einzogen, haben wir ein Betttuch am Schrubber befestigt, ihn hochgehalten, um uns zu ergeben.“