Gelsenkirchen. Rosenmontag flankieren die Karnevalisten traditionell die Cranger Straße und warten auf Garden, Kamelle, und Bälle, Prinzenpaar und Party-Musik, eben auf den Rosenmontagszug. Beim Festkomitee Gelsenkirchener Karneval schätzt man, dass an die 100.000 Besucher den Höhepunkt der Tollen Tage an der Strecke miterlebten.

Ganz Erle war wieder fest in Narrenhand. Rosenmontag flankieren die Karnevalisten traditionell die Cranger Straße und warten auf Motivwagen, Fußgruppen und Garden, Kamelle, Blumen und Bälle, Prinzenpaar und Party-Musik, eben auf den Rosenmontagszug. Rund 600 Teilnehmer machten sich beim 44. Zug auf den 3,5Kilometer langen Weg und brachten gut 11,5 Tonnen Wurfgut unters jecke Volk. Beim Festkomitee Gelsenkirchener Karneval schätzt man, dass an die 100 000 Besucher den lokalen Höhepunkt der Tollen Tage an der Strecke miterlebten – übrigens weitgehend friedlich, wie Ordnungskräfte und Polizei betonen.

16 Uhr am Rosenmontag. Die Jecken in Erle schunkeln sich seit knapp anderthalb Stunden längs der Cranger Straße warm und werden jetzt nur noch vom Kamelle-Regen eingedeckt. Die Sonne bricht durch trübe Wolken, der Sattelzug mit dem Prinzenwagen ist endlich im närrischen „Epizentrum“ zwischen Kirche und Sparkasse angekommen. „Ihr habt Sonnenschein mitgebracht“, freuen sich Hans-Georg Schweinsberg und Heinz Zubel, die sich die Zugmoderation teilen. Die Stimmung steigt, die Arme fliegen vor der VIP-Tribüne hoch. Marius I. und Viola I. drehen sich im Dreivierteltakt. Es ist Walzerzeit hoch auf dem gold-blauen Wagen der KG Narrenzunft. „Gut seht ihr aus“ lobt Schweinsberg. Und dann geht es schon weiter.

Das Sessions-Motto bekommt brasilianisch Flügel

Die Trommelformation Pelodum macht sich lautstark bemerkbar. Der KC Astoria fährt sozusagen mit Samba-Wumms vor. „Karneval total an Emscher und Kanal“ – das Sessions-Motto bekommt hier brasilianisch Flügel. Ein paar Jecken tanzen am Streckenrand, einige Endfünfziger lassen die Hüften rhythmisch kreisen – und die Sonnenstrahlen kennen kein Halten mehr.

Dabei ist er eher langsam in Schwung gekommen, der Rosenmontagszug 2014. Die Wagen-Garden-Musik-Zugfolge ist ein Stop-und-Go über knapp zwei Stunden. Die Jecken in Erle haben sich frühzeitig in Position gebracht. Räuber und Piraten, Cowboys, Bauarbeiter und Krankenschwestern, allerlei Kätzchen, Zauberer und Zombies, Nonnen und Protz-Bischöfe warten auf den Startschuss. Vielen reicht allerdings ein Schalke-Schal als Verkleidung, gerne auch in Kombination mit einer Flasche oder Dosenbier. Die Pfand-Sammler haben ihre Freude. Fantasievoller haben sich Steffie, Tanja und ihre Mitstreiterinnen in närrische Form gebracht. Sie sind sozusagen als blühende Landschaft unterwegs. Auf grünem Tuch knospen Blüten. „Letztes Jahr waren wir als Eisbombe unterwegs, jetzt ist in Erle der Frühling ausgebrochen“, sagt Steffie und lacht. In Erle beim Zug zu sein, das ist für sie Rosenmontag jecke Pflicht.

Stehtische zwischen den Zapfsäulen

An der Aral-Tankstelle ist wieder der Jugendtreff. Die Asti-Flaschen kreisen, manch leere Wodka-Pulle kegelt durch die Reihen, Klopfer-Fläschchen fliegen – nicht nur hier – auf den Asphalt. Die Polizei zeigt massiv Präsenz. Das wirkt. Alles bleibt ruhig. Eine Tanke weiter stehen wieder Stehtische zwischen den Zapfsäulen, das Feiervolk tummelt sich vor der Garage. „Markant – billig getankt“ gilt diesmal nicht für Diesel und Benzin. DJ Klaus legt zu Bier und Glühwein Schlager auf. Längs der Strecke hält sich die Beschallung ansonsten eher in Grenzen. Eine lautstarke Ausnahme macht man vor der Eckkneipe Strohmann. Zu fetten Beats kommt das Partyvolk in Bewegung. Noch einen Tacken lauter mag es die Piratencrew auf dem „Alte Hütte“-Wagen. Zu gefühlt 120 Dezibel Techno wird ordentlich Dampf abgelassen.

Im Gefolge der Narrenlok von Zugführer Robert Kemski ist der ein oder andere Motivwagen unterwegs. Grün-Weiß Resse hat sich das Hans-Sachs-Haus an Bord geholt. „Warum, wovon, wofür, wohin?“ fragen die Erler Funken auf ihrem Wagen zur Energiewende. Ein Windrad bläst dazu Euro-Hunderter durch. Die Alternative zur üblichen Montagsdemo ist der Zug wieder mal für AUF. Der Problemmüll in Bergwerken ist das Thema. „Jeck, Jeck, Jeck – RAG Giftsuppe muss weg“ lautet der Wagen-Slogan. Auch dafür gibt’s ein Helau.

Von wilden Typen, Stotter-Songs und Wagen-Werbern 

Zugführer Robert Kemski zieht zufrieden Bilanz.„Alles ist glatt gelaufen. Wir hatten keine größeren Schäden oder sogar Verletzte zu beklagen.“ Ebenso wichtig für den Mann an der Spitze: „Der Zug ist durchweg positiv aufgenommen worden.“
Ein Heimspiel war der Umzug einmal mehr für Ilona Goldstein. Die „Perle von Erle“ war als Teufelchen auf der Tribüne und beschränkte sich diesmal aufs Mitsingen.
Seine wilde Seite dokumentiert Noch-Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt. Unter die Lokal-VIPs hat er sich als schillernder Punk in Lederjacke gemischt.
Bezirksbürgermeister Joachim Gill gibt sich ebenfalls wild: Er trägt Löwenkostüm. Eher verhalten fällt die jecke Aufmachung bei OB Frank Baranowski (Schal), Bürgermeister Klaus Hermandung (Narrenkappe) oder Sparkassenchef Bernhard Lukas (Orden) aus.
Das Mottolied „Karneval Total an Emscher und Kanal“ hat Annette Schwenzfeier in dieser Session x-mal gesungen. Rosenmontag hakt’s dann. Nicht beim Text, den kann die Stimmungssängerin sicher im Schlaf runterbeten. Die Technik muckt und der Song wird zur Stotter-Nummer.
Jecken kommen nur mit Unterstützung und Werbung in Bewegung. Sichtbar unter den Förderern ist u.a. ein Schalker Friedhofsgärtner. Grabkultur und Narretei gehen an den tollen Tagen mal Hand in Hand. Handfest ist auch die Werbung eines prämierten Fleischers. Er fährt mit einem (künstlichen)-Glücksschwein vor und hat seinen Bagagewagen mit (echten) Fleischwürsten behängt.
Kehraus: Der Zug nach dem Zug wird von Gelsendienste bestückt. Handkehrer, Dreckbläser, Kehrmaschinen und Spülwagen beseitigen umgehend, was von Gelage und Wurfgut übrig bleibt.

Die Zahlen und Fakten zum Zug

Diese Zahl steht fest: 650 Meter lang ist der Rosenmontagszug am Aufstellplatz, knapp 3,5 Kilometer lang ist die gesamte Zugstrecke in Erle. Wie viele Jecken die Piste säumten, darüber lässt sich Jahr für Jahr allerdings erneut trefflich rätseln. An die 100 000 werden es aber wieder gewesen sein...

Eine andere Perspektive: Karneval auf der Cranger Straße in Erle.
Eine andere Perspektive: Karneval auf der Cranger Straße in Erle. © www.blossey.eu


Unterwegs waren: rund 600 Teilnehmer, verteilt unter anderem auf 16 Motivwagen, elf Fußgruppen, 14 Tanzgarden und fünf Spielmannszüge.

1:2: die Zahlen stehen für eine Brasil-Trommel-Gruppe, begleitet von zwei Tänzern.

Und auch diese Zahlen dürfen nicht fehlen: 180 Ordner sorgten für den reibungslosen Ablauf – plus angeblich 111 Polizeibeamte.

Es war der 44. Rosenmontagszug in Gelsenkirchen. Zum 38. Mal dabei: die Showband Drumfanfare PCL Lobith aus Holland.