Gelsenkirchen. Wo soll der Gelsenkirchener Restmüll entsorgt werden? Und was darf das kosten? Eigentlich schien schon alles geregelt, hatte der Rat der Stadt sich doch Ende 2013 für das RZR Herten entschieden. Da aber noch keine Verträge unterschrieben und die Preis aktuell im Keller sind, denken die Lokalpolitiker nun doch über eine europaweite Ausschreibung mit entsprechendem Kriterienkatalog nach.
Alles schien zur Zufriedenheit geregelt. Und schon an dieser Formulierung ist deutlich abzulesen, dass sich in puncto Gelsenkirchener Restmüllentsorgung in der Zwischenzeit einiges getan hat. Die Preise haben sich stark verändert, sehr zugunsten der Kommunen und damit auch zugunsten der gebührenzahlenden Bürgerschaft.
Angesichts dieser Entwicklung steht der Ratsbeschluss vom 28. November 2013 in der Diskussion. Damals hatte das Gremium entschieden, die Neuordnung der Restabfallentsorgung ab dem 1. Januar 2015 nicht über ein Ausschreibungsverfahren, sondern im Rahmen des RVR-Modells (Regionalverband Ruhr) neu zu strukturieren. Entsorgt werden sollte zukünftig im benachbarten Herten beim RZR (Rohstoffrückgewinnungszentrum Ruhr). Die Verhandlungen mit der betreibenden Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet (AGR) sind mittlerweile laut Verwaltung auch soweit gediehen, dass die Voraussetzung für eine Erstellung unterschriftsreifer Verträge erfüllt seien.
Das Vorhaben hatte sympathische Seiten
Aus gutem Grund: Das Vorhaben hatte seine sympathischen Seiten. Der Preis mit rund 80 Euro je Tonne bei einer Vertragslaufzeit von 20 Jahren und einer gedeckelten Preissteigerung von maximal einem Prozent pro Jahr schien Ende 2013 ökonomisch mehr als vernünftig. Dazu lockte auch die ökologische Seite, den Restmüll nicht über weite Strecken schicken zu müssen, sondern im benachbarten Emscherbruch entsorgen zu können.
„Das aber müssen wir jetzt noch einmal neu überdenken“, sagte Oberbürgermeister Frank Baranowski der WAZ auf Nachfrage. Der alles entscheidende Anstoß dafür ist laut OB dieser: „Die Preissituation hat sich mittlerweile sehr stark verändert im Vergleich zum Jahresende 2013. Wir könnten zwischen zwei und dreieinhalb Millionen Euro einsparen. Deshalb macht eine europaweite Ausschreibung heute aus unserer Sicht viel Sinn.“
Kriterien sollen weite Fahrten ausschließen
Aktuell sind nach WAZ-Informationen rund 50 bis 55 Euro je Tonne ein marktüblicher Preis, der sich in Kombination mit einer zehnjährigen Vertragslaufzeit erzielen lässt. Während eine weitergehende Verbesserung des RVR-Modells nach Rücksprache der Stadt mit der AGR-Geschäftsführung nicht erzielbar ist, bestätigte RWE Generation SE, Betreiberin des Müllheizkraftwerkes Karnap, schriftlich gegenüber Gelsendienste, dass der Verbrennungspreis für den Anlagenstandort Essen bei einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren ab 2015 deutlich (mehr als 15 Euro) unter dem Marktpreisniveau des Jahres 2013 liegt.
Um weiterhin Mülltourismus zu verhindern und den Anforderungen der Landesregierung gerecht zu werden, will die Stadt die Kriterien für eine europaweite Ausschreibung so fassen, dass Bau und Betrieb einer Umladestation ausgeschlossen sind.
Einsparungen bis zu 3,5 Mio. Euro möglich
Der Betriebsausschuss Gelsendienste wird sich am heutigen Mittwoch ab 16 Uhr im Konferenzraum des Stadtbetriebes an der Wickingstraße 25 ausschließlich mit dem Thema „Neuordnung der Restabfallentsorgung ab 1. Januar 2015“ befassen – im öffentlichen Teil. Um welche Preisdifferenzen es dabei geht, hat die Stadtverwaltung an zwei Szenarien festgemacht.
Szenario 1: Ausgehend von einer Jahresgesamtmenge von 110.000 Tonnen ergibt sich aus dem Vergleich Staffelpreis RVR zu einem aktuell zu erwartenden Entsorgungspreis in Karnap eine Bruttopreisdifferenz von rund 2 Mio. Euro.
Szenario 2: Bei einer Jahresmenge von 80.000 Tonnen ergäbe sich auf Grund der Staffelpreisentwicklung RVR sogar eine Differenz von rund 3,5 Mio. Euro.
Mögliche Auswirkungen auf Gelsendienste
Szenario 2 könnte laut Verwaltung dann eintreten, wenn durch das niedrigere Karnap-Preisniveau gewerbliche Abfallmengen zukünftig nicht mehr über Gelsendienste entsorgt würden, sollte der Ratsentscheid nicht verändert werden. Gelsenkirchener Unternehmen unterliegen nicht einem Entsorgungsdiktat der Stadt, sondern können frei wählen. Dieses Szenario könnte zudem Auswirkungen auf Gelsendienste beinhalten, die die Verwaltung so beschreibt:
„Die aus dem möglichen Rückgang der Gewerbeabfallmengen resultierende Unterauslastung der Personal- und Fahrzeugressourcen in Höhe von ca. 25 bis 30 % könnte auf Grund der parallel zu erwartenden Umsatz- und Ergebnisrückgänge aus dem gewerblichen Ergebnis nicht mehr sozialverträglich kompensiert werden.“
Eine Verlagerung der Ressourcen in den gebührenrechtlichen Bereich wäre laut Verwaltung mit dieser Begründung nicht zu rechtfertigen und ein Ausgleich aus den Betriebskostenerstattungen würde den allgemeinen Haushalt belasten.