Gelsenkirchen.
Wer ihn nur als empört-schreienden Rausschmeißer aus den Mitternachtsspitzen kennt, mochte erstaunt sein ob der Freundlichkeit, mit der Wilfried Schmickler sein Publikum im vollbesetzten Musiktheater im Revier begrüßte. Dabei täte man dem Mann bitter unrecht, hielte man ihn für einen stets schäumenden Wutbürger. Nichts gegen Gernot Hassknecht: Aber Schmickler beherrscht einfach alle Tonarten.
Er kann laut und leise, komplex-hintersinnig und schlicht kalauernd. Er analysiert, bringt das Elend der Welt sehr konkret auf den Punkt – und räumt am Ende doch ein: „Ich weiß es doch auch nicht.“ So der Titel seines aktuellen Programms, in dem er beispielsweise erzählt: Fragt Gott den Petrus: Seit wann haben wir eigentlich mehr Harfen als Wolken? Sagt Petrus: Seit die Gelben Engel das Zählen übernommen haben.
Missstände durch Wortspiele auf den Punkt gebracht
Gnadenlos führt er auch die Doppelzüngigkeit in der Argumentation für die vermeintlich unausweichliche Ausweitung des militärischen Engagements Deutschlands vor, die aktuell diskutiert wird. Neben der punktgenauen, mit Zahlen unterfütterten Analyse sozialer Ungerechtigkeiten im Land – gegen die Schmickler sich übrigens auch privat engagiert – sind seine Stärke halsbrecherische Wortspiele.
In einem Tempo, das die meisten Rapper vor Neid erblassen lässt, entlarvt er die hohe Kunst des parlamentarischen Wachkomas, mit „Knacks im Dax, Panik im Dow“ reimt er sich durch die absurden Mechanismen der Finanzkrise. Und er erinnert gern an die Zeit, als noch nicht jeder jederzeit Telefonzelle, Videokamera, 20bändiges Lexikon und Navigationsgerät mit sich führte. Der 59-Jährige beklagt die Unkultur, einander nicht mehr Zuzuhören, verbreitet in TV-Talkshows ebenso wie im Privaten. Und so widmet er einen seiner Songs, in denen es um Besinnung geht, seinen verstorbenen Kollegen Klaus Huber, Heinrich Pachl und Dieter Hildebrandt.
Wilfried Schmickler darf das; er hält ihr Erbe aufrecht. Das Publikum im MiR dankte es ihm lautstark.