Gelsenkirchen. . Fritz Eckenga stellte am Samstag in der Gelsenkirchener Kaue sein Programm „Von vorn“ vor. Der Kabarettist bescherte Gästen dabei ein Wechselbad der Gefühle. Wunderbare Wortakrobatik, beißend-treffender Sarkasmus und eher lahme Publikumsschelte wechseln einander ab.
„Wer ist Sandra?“, fragt sich das Publikum in der Kaue am Samstagabend. Das Namensschild prangt am Rednerpult auf der Bühne, auf dem Programm aber steht Kabarettist Fritz Eckenga. Eine blecherne Frauenstimme mit gelegentlichen Sprüngen in der Schallplatte begrüßt das Publikum, klärt über die Rechte „durch das Entrichten eines Eintrittsgeldes“ auf – Sandra ist die „digitale Assistentin“ des Künstlers. Der alsdann vor die Zuschauer tritt und ob der technischen Fehler sagt: „Sie ist schon drei, ich brauch bald eine Neue“ – wer´s lustig findet.
Fritz Eckenga begeistert nicht von Anfang an. Er spekuliert über die Motivation der Gäste, „die Wirklichkeitsverbraucher“, die als Gegenleistung für die Eintrittskarte verlangen „Los, unterhalte mich Kasper“ – ein schmaler Grat für jemanden, der vom Publikum lebt. Ein schmaler Grat aber auch, weil der Witz etwas zäh daherkommt.
Bitterer Sarkasmus und wunderbare Reime
Dann blitzt langsam das auf, was Fritz Eckenga ausmacht. Seine Alltagsbeobachtungen und deren pointierte Wiedergabe. „Da bin ich ganz bei Ihnen“, das sei eine „topmoderne Einschleimerei“. Wer hat das nicht schon gehört, in der Tat gerne auf Ämtern. Eckenga rät, sich Personen, die den Satz nutzen, vom Leib zu halten. „Wer nah bei mir ist, bestimme immer noch ich selbst.“
Wunderbare Reime, blumige Umschreibungen – Eckenga entlockt der deutschen Sprache die oft abgesprochene Musikalität, weil er sie umfassend nutzt. So ist er denn auch voll der Wut über die grammatikalischen Bruchstücke, wie „Wir können Möbel“ – „Ja was denn? Essen? Herstellen? Rücken?“ Und bei „Wir lieben Lebensmittel“ wartet er auf die erste Hochzeit mit dem toten Schwein im Kühlschrank. Das ist der bittere Sarkasmus, den der Zuschauer hören will. Ebenso wie die politische Satire.
Seine fiktiven E-mails an die NSA („ein Unterhaltungsgewerbe“) oder den Bürgermeister von Sotschi („Kompliment für eine Olympiastadt ohne Schwule und ohne Schnee“) bringen Kritik und Enthüllung unter Tränen des Lachens auf den Punkt.
Aber es gibt auch Strecken, wo der Zuschauer sich erwartungsfroh literarischen Ergüssen hingibt und auf die Pointe wartet, die nicht zu kommen scheint. Besonders wirr im zweiten Teil ist eine Geschichte mit ADHS-Eichhörnchen, einem durchgeknallten Professor in Lappland und „Entenpressern“ in Frankreich. Schwere Kost für einen Kabarett-Abend, weil der Text einfach zu schnell vorbeifliegt. Hier gilt vielleicht das, was Eckenga selbst von seinem Programm sagt: „Von vorn“ ist der Titel, weil es morgen Abend in einer anderen Stadt von vorn los geht – auch der Besucher kann es sich also noch einmal ansehen- und hören. Oder seine Bücher lesen.