Gelsenkirchen. Karl-Heinz Rotthoff ist Historiker aus Leidenschaft, auch wenn der Ückendorfer in seinem ersten Leben als Architekt arbeitete. Jetzt hat er die Geschichte der Rettung von jüdischen Zwangsarbeitern in Gelsenkirchen aufgearbeitet. Erschütternd, akribisch, lesenswert.

Karl-Heinz Rotthoff als einen an Geschichte interessierten Mann zu bezeichnen, ist so verharmlosend wie die Beschreibung, dass Karl Lagerfeld sich für Mode erwärmen kann. Rotthoff lebt in Ückendorf. Er forscht und hakt nach, durchforstet Archive in Gelsenkirchen, Berlin und Köln.

Er liest viel, schreibt und schreibt. Sein Arbeitszimmer ist klein, voller Bücher und Bilder, mit Computer ausgestattet und könnte auch einem 25-jährigen Studenten gehören. Wäre da nicht der Familienstammbaum an der Wand, den man jemandem aus der Smartphone-Generation erst erklären müsste.

Akribischer Forscher

Es ist ein ordentliches Arbeitszimmer, in dem der 78-jährige aber seltener anzutreffen ist, als man meinen sollte. Grund: „Es ist immer besser, gleich vor Ort nachzufragen“, lautet eine seiner Erfahrungen. Und davon hat der Mann reichlich. Rotthoff stammt aus einer katholischen Familie. Er ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. Maurerlehre 1951, später Architekturstudium, Arbeit als selbstständiger Architekt, 40 Jahre lang. Und er ist historischer Laie mit großem professionellen Anspruch an sich selbst.

Rotthoffs jüngste Publikation erschien Anfang 2013. „Du hast mich heimgesucht bei Nacht“ (3. Verse, Psalm 17, Altes Testament) handelt von einem so schrecklichen wie schönen Kapitel der Gelsenkirchener Geschichte: Dr. Rudolf Bertram, Pfleger Franz Schimion, 50 Nonnen des Franziskaner-Ordens am St. Josef-Hospital in Horst und 20 Schwestern der Ordensgemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi im Krankenhaus in Rotthausen haben das Leben von 17 Jüdinnen gerettet. Unter Lebensgefahr. Sie haben überlebt, weil Bertram, Schimion, Nonnen und Krankenhauspersonal beherzt handelten, nach außen eisern schwiegen.

Fruchtbare Zusammenarbeit mit Prof Roland Günter

Alle geretteten Zwangsarbeiterinnen haben in seinem Heft einen Namen. Rotthoff nennt auch die Namen der 138 getöteten Opfer des Bombenangriffs vom 11. September 1944, für die es eine Gedenkstelle auf dem Friedhof Horst gibt. Der 78-Jährige macht in dem Buch mit nüchternen Worten und detailreichen Untersuchungen die Schrecken erfahrbar. Man glaubt förmlich, den Marsch der ausgemergelten und zerlumpten Jüdinnen vom Hauptbahnhof Gelsenkirchen durch die Stadt zu den Werksanlagen auf Gelsenberg vor sich zu sehen – Hunger, Krankheiten und unmenschlich harte Arbeit. Karl-Heinz Rotthoff schreibt gegen das Vergessen an. „Diese Zeit lässt mich nicht los.“

Die Kirche, besonders die Geschichte der Katholischen Kirche, beschäftigt ihn. Stolz ist der Gelsenkirchener auf manch’ fruchtbare Zusammenarbeit, etwa mit einem so namhaften Hochschulprofessor wie Roland Günter. Günter ist 1. Vorsitzender des Deutschen Werkbund e.V. NW. Im Jahr 2010/2011 wurde er Vorsitzender des gesamten Deutschen Werkbundes.

Heimatforscher hat auch den Knappenverein im Blick

Du hast mich heimgesucht bei Nacht“, Karl-Heinz Rotthoff, ist 2013 erschienen als Heft 8 (74 Seiten) in der Reihe „Jüdisches Leben in Gelsenkirchen“, herausgegeben von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit GE. Es kann per E-Mail bestellt werden unter der Adresse: christlich-juedische-ge@freenet.de. Kosten: 5 €.

„Das Drama des preußischen Kulturkampfes – im 19. Jahrhundert und wichtige Folgen im 20. Jahrhundert“ ist ein weiteres Werk Rotthoffs, erschienen im Klartext Verlag als Taschenbuch – 317 Seiten stark, Kosten: 24,95 Euro,
ISBN-13: 9783837509786

Und: „Elisabeth von Thüringen – Eine Heilige in Staufischer Zeit“, K.-H. Rotthoff. Patris Verlag, 2004, Paperback. „Der St. Josef-Knappenverein Ückendorf in der Geschichte der Kath. Arbeitnehmer-Bewegung – Ein Beitrag zur Stadtgeschichte Ückendorfs“, K.-H. Rotthoff, Heimatbund GE (Hrsg.), Gelsendruck, 1992, Broschur.

Karl-Heinz Rotthoff hat schon einiges publiziert, manche Bücher sind reif für die Veröffentlichung, aber (noch) nicht erhältlich. „Das kostet Geld. Und einen Krimi oder eine Schnulze werden Sie von mir nie lesen.“ Rotthoff ist zudem aufgeschlossen für Neues. „Seit Juli 2007 male ich.“ Zuerst malte er mit Acryl auf Leinwand, heute verwendet er Ölfarben. In seinem Büro sieht man beispielsweise ein Bild mit Herrschaftssitzen, darunter Schloss Berge und Schloss Horst. Im St. Josef-Hospital in Horst hängt ein echter Rotthoff. Unter dem Titel „Du hast mich heimgesucht bei Nacht“ hat er sich seine Eindrücke von dem Schicksal der jüdischen Mädchen von der Seele gemalt. Auch so geht Geschichte.