Gelsenkirchen-Hassel.
Eine Zeitmaschine, die gibt’s nicht. Ein Schaufenster in die Geschichte Hassels aber sehr wohl, und das buchstäblich: In den nächsten Tagen startet der Hobby-Historiker Egon-Friedrich Kopatz in dem leerstehenden Schlecker-Ladenlokal an der Polsumer Straße 91 auf sechs Stellwänden eine lokalhistorische Ausstellung über seinen Stadtteil.
Die Polsumer Straße 1912 und 1938 in Schwarz-weiß-Fotos, als die Einkaufsmeile wie eine Versorgungsachse den Stadtteil durchzog, weil deren Geschäfte (nicht nur) Waren des täglichen Bedarfs im Angebot hatten; ein Hasseler Kaufhaus an der Zechenbahn in den 1930-er Jahren, dann wieder Bilder von alten Gaststätten, Bauerschaften und dem Bergwerk Westerholt: Eine bunte, aber strukturierte Zeitreise in die industrielle und vorindustrielle Geschichte Hassels hat der 63-jährige gelernte Maschinenbau-Ingenieur da unternommen – eine spannende allemal.
Frauen im Bergbau
Wirft die Schau doch anschauliche Schlaglichter auf die Bereiche Bergbau, Industrie, Wohnen und Soziales, indem sie die Entwicklung vom ländlich geprägten Ort voller Bauerschaften zum Industriestandort nachzeichnet. Dabei belässt es Kopatz nicht bei der Präsentation von Gebäuden, sondern gibt auch den Menschen ein Gesicht, etwa wenn er über die Folgen des Alkoholmissbrauchs bei den Bergarbeitern oder die Frauen im Bergbau 1914 bis 1918 in Wort und Bild informiert.
„Da, das ist meine Großmutter“, sagt Egon Kopatz und zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Bild mit einer jungen, Ruß verschmierten Frau. „Sie hat wie so viele Frauen im Ersten Weltkrieg auf den Kokereien Westerholt und Bergmannsglück gearbeitet, als die Männer eingezogen worden waren und Arbeitskräfte fehlten.“ Ein „Knochenjob“ mit Acht- und Zwölf-Stunden-Schichten sei das gewesen – zwar über Tage, aber sehr wohl anstrengend. „Sie wurden in Lampenstuben, Sieberei, Wäsche, Kokerei und Kraftwerksanlagen eingesetzt“.
Alte Fotos, Akten und Pläne sammelt Kopatz bereits seit 40 Jahren. Als die Zeche Westerholt geschlossen wurde, hat er gar Zeichnungen vom alten Schachtgerüst aus den Müllcontainern gefischt. „Mittlerweile bin ich in Hassel aber bekannt wie ein bunter Hund. Die Leute rufen mich schon an, wenn in einem Nachlass historische Bilder gefunden werden.“
Daten und Dokumente
Als Junge schon habe er sich für die Schlacht im Teutoburger Wald begeistert. „Im Laufe der Zeit verschob sich das Interesse dann aber auf die Lokalgeschichte“, erzählt er mit Blick auf die Bild-Dateien, in die er – natürlich technisch auf neuestem Stand – die gescannten Fotos verwandelt hat. Schließlich geht es ja darum, Daten und Dokumente „für die Ewigkeit“ zu archivieren.
Dass er seine Stellwände in dem freigezogenen Schlecker-Lokal präsentieren kann, ist der Vermieterin Anke Sauerbaum zu verdanken: Sie stieß beim Stadtteilfest Hassel auf die Ausstellung und bot Kopatz an, das Ladenlokal so lange mit historischem Leben zu füllen, bis ein Nachmieter gefunden sei. „Einige Wochen wird die Schau bestimmt zu sehen sein, wenn nicht gar Monate“, sagt Kopatz.