Gelsenkirchen. So sieht es seine eigene Mutter, die sich sehr um ihren jüngsten Sohn sorgt. Sie glaubt, dass ihm nur noch die Unterbringung in einer geschlossenen Wohngruppe helfen kann. Seit vier Jahren lebt er bereits in wechselnden offenen Gruppen.

Elke C. hat einen auf den ersten Blick verwirrenden Wunsch. Sie möchte ihren Sohn in einer geschlossenen Wohngruppe untergebracht sehen. Was steckt dahinter, wenn eine Mutter so einen Hilferuf öffentlich macht? Die WAZ besuchte die 43-Jährige.

Wenn sie über den jüngsten ihrer drei Söhne spricht, kämpft Elke C. mit den Tränen. Sebastian (Name geändert), der mit seinen 14 Jahren bereits auf eine vierjährige, äußerst wechselvolle Zeit in unterschiedlichen Wohngruppen zurück blickt.

Der, wie sie sagt, keine Regeln akzeptiere, aggressiv sei und nicht davor zurück schrecke, andere zu verprügeln. Der schon mit sechs Jahren geschworen habe, er lasse sich von Erwachsenen nichts sagen. „Und das zieht er konsequent durch“, sagt die 43-Jährige. Komme, was und wer da wolle.

In der Schule fingen Probleme an

Elke C. hat sich an die WAZ-Redaktion gewandt, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wusste. In einer geschlossenen Wohngruppe, die Hoffnung hat sie, müsse ihr Sohn endlich lernen, Regeln zu akzeptieren und einzuhalten, um sich Dinge wie Ausgang zu erarbeiten.

Dabei hatte Sebastian (Name geändert) trotz schmaler Haushaltskasse eine normale Kindheit, besuchte auch eine Kita. Elke C.: „Als er sechs Jahre alt war, wurde es problematisch.“ Sebastian kam in die Grundschule, wechselte bereits in der zweiten Klasse die Schule. Ein IQ-Test ergab, so die Mutter, einen Intelligenz-Quotienten von 113. Wegen seines aggressiven Verhaltens – Sebastian verprügelte Mitschüler – kam er auf eine so genannte E-Schule. Aber auch daheim, berichtet sie, wurde Sebastian verbal immer ausfallender. Als er acht Jahre alt war, bekam sie niederschwellige Hilfe vom Jugendamt. Ein halbes Jahr. „Die Unterstützung wurde nicht verlängert.“

Der Junge war gerade zehn Jahre alt, als er seiner Mutter an den Kopf warf, er wäre lieber tot, als weiter bei ihr zu leben. Die allein erziehende Elke C. berichtet: „Ich war psychisch am Ende. Da bin ich zum Jugendamt gegangen und habe gesagt: Entweder man hilft mir und dem Jungen oder ich setze ihn bei seinem Vater vor der Tür ab.“

Ihr Jüngster kam in eine offene Wohngruppe außerhalb Gelsenkirchens – die erste von mehreren. „Er wurde Mitbewohnern gegenüber aggressiv und flog raus.“ Woanders sei es ähnlich gewesen. Zum Beispiel in Recklinghausen. Da sei er nach vier Wochen nicht mehr tragbar gewesen. „Abgängig“, wie es so schön heißt, war er mehrfach.

Elke C. kommen wieder die Tränen, als sie sagt: „Jede Mutter wünscht sich doch nur das Beste für ihre Kinder.“ Schulabschluss, Ausbildung ... – davon ist ihr Sebastian zurzeit Lichtjahre entfernt.

Angst, dass ihr Sohn ein Krimineller wird

Am meisten fürchtet Elke C., ihr Sohn könnte kriminell werden. Beim Jugendamt und beim Gericht habe man ihr nicht helfen können. Auch ein Betreuer ihres Sohnes in dessen aktueller Wohngruppe sei davon überzeugt, dass der Junge in eine geschlossene Wohneinrichtung müsse. Dafür ist allerdings ein richterlicher Beschluss erforderlich.