Gelsenkirchen. Der inzwischen 96-jährige Architekt Karl Wolters ist der letzte lebende Zeuge aus der Bauzeit des Hans-Sachs-Haus. Beim Gedanken an das bekannte Gebäude, fallen Karl Wolters viele Geschichte ein. Zum großen Festakt am Samstag ist er natürlich eingeladen.

Denkt Karl Wolters (96) ans Hans-Sachs-Haus (HSH), fällt ihm zuerst eine Drehtür ein. Diese verdammte Drehtür.

Wolters ist der älteste Zeitzeuge, durch dessen Leben sich das HSH wie ein roter Faden zieht. Beim Festakt zur Wiedereröffnung am Samstag, 31. August, ist er natürlich eingeladen.

Seine erste Berührung mit dem Haus hatte der gebürtige Papenburger 1933. „Ich war Lehrling in einer Schreinerei in Bismarck“, sagt er, „und wir hatten den Auftrag, die neue Drehtür, die sie am Eingang in den Hotelturm des Hans-Sachs-Hauses gebaut hatten, in Stand zu halten.“ Die Konstruktion der sich drehenden Türen sei ein Novum gewesen. „Das fand man nur in Berlin, sowas Besonderes mussten sie dann auch unbedingt in Gelsenkirchen haben“, erzählt Wolters.

Ärger mit dem Tramfahrer

Für ihn wurde dieser Wunsch nach neuer Technik zu einer Tortur. „Die Tür war immer kaputt. Immer.“ Also musste er als Frischling mit der Schubkarre – von Autos war noch keine Rede – von Bismarck los, um die Tür abzuholen. Doch die war nicht nur schwer, sondern auch sperrig. „Sie passte nicht zwischen Straßenbahn und Laterne. Ich habe immer einen riesigen Stau verursacht, der Straßenbahnfahrer hat dann geklingelt und geschimpft, ich solle zusehen, von der Straße zu kommen.“ Heute lacht Wolters, doch der Marsch über mehrere Stunden hat ihn reichlich Zeit und Nerven gekostet.

„Die Bismarckstraße geht in die Richtung bergauf. Das war schlimm“, erzählt Wolters, „ich war immer froh, wenn ich an der Emschertalbahn wegen eines Zuges warten musste und mich kurz hinsetzen und verschnaufen konnte.“ Doch sooft die Tür auch zur Reparatur war, richtig funktioniert hat sie nie. „Was habe ich das Ding verflucht“, sagt Wolters. Bis 1937 arbeitete er als Schreiner, besuchte anschließend die Ingenieursschule in Münster, wurde Architekt. 1940 wurde er dann Soldat im Zweiten Weltkrieg, musste als Offizier nach Russland. Erst 1946 kehrte er nach Gelsenkirchen zurück – als angestellter Architekt bei der Stadt. Hier war seine Aufgabe ganz klar: Wiederaufbau.

„Was noch übrig war, wurde nach und nach aufgebaut“

Ein Büro im Hans-Sachs-Haus hatte er aber nicht. „Der Teil an der Ecke Munckel-/Ebertstraße war ja völlig zerstört, was noch übrig war, wurde nach und nach aufgebaut.“ Wolters hatte sein Büro zunächst im Aloisianum an der Zeppelinallee. Seine Hauptaufgabe war der Wiederaufbau der Schulen. Auch den heute unter Denkmalschutz stehenden Haupteingang am Zoo hat Wolters als Bauleiter umgesetzt.

Doch das HSH ließ ihn nie los. Kommt das Stichwort „Orgel“ auf, wird Wolters leidenschaftlich. Die Walcker-Orgel, die bis 2002 im großen Saal stand, hatte nämlich eine Besonderheit, die nach dem Krieg in Vergessenheit geriet.

Orgel war eine Seltenheit

Neben der Hauptorgel gab es ein Fernwerk, das hinter den Zuschauern eingebaut war. „Das war ein einzigartiger Klang“, schwärmt Wolters, „davon gab es nur drei in Deutschland – im Hamburger Michel, in der Dortmunder Reinoldikirche und bei uns.“ Im Krieg wurde das Fernwerk jedoch zerstört, verschwand. „Als ich später von dessen Standort sprach, wollte mir keiner glauben“, erzählt Wolters, „ich musste erst in den Dachstuhl klettern und anhand von Nieten und alten Plänen beweisen, wo sie einmal war.“ Eine kuriose Geschichte, wie sie nur ein Zeitzeuge erzählen kann. Dass die Drehtür damals nicht mehr zur Sprache kam – Karl Wolters war es ganz recht.