Gelsenkirchen.
Marga G., 26 (Name geändert) schüttelt den Kopf, als könnte sie es immer noch nicht fassen. Während in der Innenstadt im Schein der Spätsommersonne Gleichaltrige flanieren oder in Eiscafés eine erfrischende Erdbeermilch schlürfen, sitzt sie im Schatten umgeben von hohen Mauern und Drähten im Knast. Schwarzfahren ist der Grund, der sie an den wenig einladenden Ort befördert hat.
Eigentlich müsste sie da nicht sitzen. Sie bekam einen Strafbefehl, musste 20 Tagessätze a 20 Euro zahlen. Nur was sie bei der Ermittlungen verschwieg: Sie ist drogenabhängig, hat nur sporadisch Arbeit, das meiste Geld geht für Drogen drauf. Sie kann trotz mehrfacher Aufforderung die Summe nicht bezahlen. Die Drogenabhängigkeit, so sagt sie heute, habe dazu beigetragen, dass sie vollgedröhnt, einfach und öfter mal ohne Geld und Fahrschein in den Bus gestiegen ist. Aus falschem Scham heraus habe sie dies nie gesagt. Erst in der Justizvollzugsanstalt ist sie damit herausgerückt, hat eine Therapie begonnen.
114 Euro pro Tag für jeden Gefangenen
Eine teure Einsicht. 114 Euro am Tag kostet dem Land NRW ein Tag im Knast pro Inhaftierten. Dies sind fast 3500 Euro im Monat. Eine kostenspieliger Vollzug, nur weil ein Strafbefehl von 400 Euro nicht beglichen wurde.
Kein Einzelfall, wie NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (45), der die Justizanstalt entlang der Aldenhofstraße besuchte, sagt. 48 der 136 inhaftieren Frauen sitzen hinter Gittern, weil sie die Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Bei den aktuell 396 Männern, die in der Vollzugsanstalt ihre Strafe verbüßen, sind es aktuell 113. Knapp 1000 von den derzeit 16.500 Strafgefangene in den 37 Haftanstalten in NRW sind mit Geldstrafen belegt.
Führerschein- oder Stadionverbot
„Wir brauchen andere Strafen“, sagt der NRW-Justizminister in Richtung Bundesregierung. „Das Deutsche System kennt bei einer Verurteilung leider nur die Haft- und die Geldstrafe. Das ist zu wenig“, sagt der gelernte Rechtsanwalt und fordert den Führerscheinentzug oder ein Stadionverbot in den Strafenkatalog aufzunehmen.
Ein Handyverbot, was für manch jungen Menschen einer Höchststrafe gleich kommt, hält er allerdings für nicht überprüfbar und deswegen für ungeeignet. Dennoch sollten Richter die Möglichkeit haben, zwischen der Haft- und Geldstrafe andere, angemessene Verbote oder Maßnahmen zu verhängen, die auch weh tun, ohne dass jemand gleich hinter Gitter muss. Dies sei, so Kutschaty, nicht nur sinnvoller, sondern helfe auch Kosten sparen. Rein rechnerisch kosten die 1000 Inhaftierten, die wegen nicht bezahlter Geldstrafen einsitzen, landesweit rund 3,5 Millionen Euro im Monat.