Gelsenkirchen. Nach 17 Jahren aus der Versicherung geflogen - das passierte einem Gelsenkirchener. Dabei hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Die Anzahl und die Höhe der Schadensfälle sei entscheidend, erklärt der Versicherer. Das heißt: Wer zu hohe Kosten verursacht, dem wird kurzerhand gekündigt.
Wer seine Rechtsschutzversicherung allzu häufig in Anspruch nimmt, der läuft Gefahr, dass ihm alsbald ein Kündigungsschreiben ins Haus flattert – selbst wenn die Schuld in der Mehrzahl der Fälle auf des Gegners Seite lag und man schon ein guter, langjähriger Kunde ist. Diese Erfahrung macht jetzt gerade WAZ-Leser Guy B. aus Gelsenkirchen. Dem Musiklehrer hat seine Versicherung, die HUK Coburg, zum 19. Juli 2013 gekündigt.
Das Hybridfahrzeug von Herrn B. war von Jugendlichen äußerlich leicht beschädigt worden und sollte in der Werkstatt repariert werden. Als der Familienvater seinen Wagen zum vereinbarten Termin wieder abholen wollte, war der Toyota Prius nicht mehr fahrtüchtig, der Akku kaputt. Herr B. bat seine Rechtsschutzversicherung um Hilfe, die Juristen beider Seiten bemühten darauf Gutachten und Gegengutachten, letztendlich muss jetzt die Gerichtsbarkeit Recht sprechen. Ausgang: noch offen. Nichtsdestotrotz sah das Versicherungsunternehmen „keine Möglichkeit, den Vertrag fortzusetzen“, wie es im Kündigungsschreiben heißt.
Leser sieht sich Willkür ausgeliefert
Herr B. versteht das Geschäftsgebaren der HUK nicht und ist völlig fassungslos: „Seit 17 Jahren sind wir als Familie schon Kunden der HUK Coburg, wir haben so gut wie alle Policen bei ihr abgeschlossen. Und jetzt werden wir behandelt, als ob wir ein Verbrechen begangen hätten, als ob wir Mörder wären. Dabei tragen wir an dem Schaden doch überhaupt keine Schuld.“
Die Schuldfrage spielt für die Versicherung bei der Entscheidungsfindung zu kündigen, keine Rolle, wie HUK-Sprecher Holger Brendel auf Nachfrage der WAZ sagte. „Die Möglichkeit zur Kündigung steht nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit beiden Seiten offen (§ 8 ARB). Der Grund für die Kündigung ist in der ungünstigen Schadensentwicklung zu sehen. Das Ehepaar hat uns seit 1994 18 Schadensfälle gemeldet, mit steigender Tendenz. Allein seit 2009 fielen sieben Schäden an. In solchen Fällen wägen wir ab zwischen dem Interesse des Einzelnen an der Fortdauer des Versicherungsschutzes und dem Interesse aller bei uns Versicherten an bezahlbaren Prämien.“
Wer auf der Liste steht, zahlt drauf
Mit der Kündigung der Rechtsschutzversicherung ist der Fall des Gelsenkircheners längst noch nicht abgeschlossen. Der Familienvater hat derzeit nämlich große Probleme, eine neue Versicherung zu finden, die ihm und seiner Familie (Rechts-)Schutz gewährt.
Das liegt daran, dass die deutsche Versicherungswirtschaft (GDV) ein internes Hinweis- und Informationssystem über Versicherungsnehmer führt, über das sich die Unternehmen Einblick in die Versicherungshistorie potenzieller Neu-Kunden verschaffen. Das hat uns der HUK-Sprecher bestätigt. Auch er ging davon aus, dass Herr B. Schwierigkeiten haben wird, ohne Weiteres einen neuen Versicherer zu finden. Einzige Optionen: höhere Prämien, ein größerer Selbstbehalt, sprich Eigenanteil.
Das heißt in der Konsequenz: Letztendlich zahlt der Kunde drauf, selbst wenn der Schadensfall nicht ihm angelastet werden kann. Höchst ärgerlich.
Im Klartext: Die Ausgleichszahlungen der HUK überstiegen letztendlich die gezahlten Prämien deutlich – 9024 Euro Ausgaben gegenüber 2612 Euro Einnahmen.
Pikant: Bei elf von 18 Fällen ist kein einziger Euro gezahlt worden. Heißt: Allein die Bearbeitung etwa einer losen Anfrage des Versicherten, der formale Aufwand also, wird dem Kunden im Zweifelsfall intern schon zur Last gelegt. Das ließ der HUK-Sprecher durchblicken: „Wir erfassen alle Meldungen.“ Konsequenz: „Meine Familie und ich werden alle weiteren Versicherungen bei der HUK – Haftpflicht, Berufshaftpflicht, Hausrat- und Glas-Versicherungen – aufkündigen und uns neuen Schutz suchen“, sagt der verärgerte Gelsenkirchener.