Gelsenkirchen. Insgesamt 75 ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Call-Center-Dienstleisters Tectum klagen gegen ihre Kündigungen. Diese wurden im Zuge eines selbstverwalteten Insolvenzverfahrens ausgesprochen. Allerdings soll Tectum parallel zu den Kündigungen auch neue Leute eingestellt haben.
75 Kündigungsschutzklagen von ehemaligen Tectum-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stapeln sich auf den Bürotischen der Richter am Arbeitsgericht. Der Call-Center Dienstleister will sich durch ein Insolvenzverfahren, das er in Eigenverwaltung abwickelt, gesundschrumpfen. Etwa 85 Prozent der Stellen, so hatte die Tectum-Group verkündet, sollen erhalten bleiben.
Die klagenden Mitarbeiter müssen sich weiter gedulden, um Antworten vom Arbeitgeber über ihre Zukunft zu erhalten. Mehrfach hatten Rechtsvertreter des Unternehmens um Aufschub von Güteterminen gebeten. Angekündigte Vergleichsvorschläge gibt es bis heute nicht. Im Sozialplan ist von Abfindungen in Höhe des 0,3 fachen eines Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr die Rede. Vor Gericht erklärte die Rechtsvertreterin von Tectum, dass selbst bei einem möglichen Vergleich nicht klar sei, ob das Sozialplanvolumen voll ausgeschöpft werden könne. „All ihre Verlegungsanträge haben nichts gebracht“, stellte Richter Heinz Greb nüchtern fest. Das einzig sichere Angebot des Arbeitgebers: Er will den Ex-Mitarbeitern gute Zeugnisse ausstellen.
Neue Mitarbeiter trotz Kündigungen
Von der Kündigung betroffen sind alle Gehaltsgruppen. So fordert die gekündigte Personalreferentin Margot F. eine nachvollziehbare Erklärung, warum ihr gekündigt worden ist, ob sie gerechtfertigt war. Der Richter deutet an, dass bei der Sozialauswahl möglicherweise grob fahrlässig gehandelt worden ist. Margot F. ist 53, verheiratet, hat einen 13-jährigen Sohn. Die Kollegin in gleicher Position ist 26, arbeitet heute noch in ihrem Job.
Ein junger Mann beginnt im August eine Ausbildung. Ihm wurde trotz der beruflichen Perspektive ebenfalls gekündigt. Auch hier bezweifelt sein Anwalt eine korrekte Sozialauswahl. Kläger bemängeln, dass Kollegen, die später eintraten und keine Unterhaltspflichten hätten, nicht auf der „Abschussliste" standen. Unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung seien noch neue Leute eingestellt worden. Kommentar der Tectum-Referentin Personalrecht: „Dazu kann ich nichts sagen.“ Kommentar des Richters: „Das verschlägt ihnen die Sprache.“
Es ist nicht die einzige Unklarheit vor Gericht. Bei einer ehemaligen Mitarbeiterin soll die Drei-Wochen-Frist für eine Klage um einen Tag überschritten worden sein. Die Referentin weiß es genau. Nachts um 1.26 Uhr sei die Kündigung per Boten zugestellt worden. Die ehemalige Mitarbeiterin versichert, keine Nachricht erhalten zu haben. An dem Tag der angeblichen Zustellung hatte sie sogar noch gearbeitet. Im Juli sehen sich die Parteien beim Kammertermin wieder.