Die Entlassungen trafen Tectum-Belegschaft über Nacht. Die Kündigungs-Briefe wurden per Kurier zugestellt, Gespräche gab es offenbar nicht. Die Auswahlkriterien sind für einen Betroffenen strittig. Und: Er hätte sich einen würdevolleren Umgang mit den Mitarbeitern gewünscht.

Call-Center haben nicht gerade einen makellosen Ruf als Arbeitgeber. Hoher (Verkaufs)-Druck, geringer Grundlohn, maximale Fluktuation in der Belegschaft – auch Tectum, einer der bundesweit zehn größten Anbieter im Dialogmarketing, sorgte in der Vergangenheit wiederholt für solche Schlagzeilen. Mitte 2009 kochte das Thema hoch. Die Gewerkschaft Verdi prangerte schlechte Arbeitsbedingungen bei Tectum an, Mitarbeiter des Unternehmens protestierten damals in großer Zahl – und zwar für „ihre“ Firma und gegen die aus ihrer Sicht falschen Behauptungen.

Bin ich dabei oder bin ich raus?

Einer, der dabei war, der längst am Ückendorfer Stammsitz vom Call-Center-Agenten ins mittlere Management aufgestiegen war, der sich bis zuletzt „höchst loyal“ mit Tectum als „seriösem Arbeitgeber“ eng verbunden fühlte, hätte die „Luxus-Probleme“ von einst gerne wieder. „Damals“, sagt er, war der größte Kritikpunkt im Betrieb vielleicht das Essen oder die Größe der Kantine. Auch wenn es vielleicht manchmal nach außen anders wirkte: Vor allem unter der Leitung der Gründerfamilie Küpper war das ein soziales Unternehmen. Doch in den vergangenen Monaten des Schutzschirmverfahrens gab es nur noch ein Thema: Bin ich dabei oder bin ich raus?“

Februar 2013: Tectum ist nicht mehr inhabergeführt, hat einige Geschäftsführer verschlissen und gehört seit 2010 Quadriga Capital, einer Beteiligungsgesellschaft. Seit Ende 2012 ist die Gruppe wirtschaftlich angeschlagen. 92 Kündigungen wurden in Gelsenkirchen ausgesprochen, in Dortmund werden 228 Personen entlassen, weitere 60 sind es in Essen und Oberhausen. Und auch der Gelsenkirchener Familienvater ist raus. Gekündigt.

Erfahren hat er das nicht im persönlichen Gespräch, nicht mit einer Erklärung für die für ihn höchst fragwürdige und strittige Sozialauswahl. Stattdessen stellte ein Kurier das Kündigungsschreiben zu, versehen mit dem Hinweis, den Arbeitsplatz umgehend zu räumen. Allen anderen ging es ebenso. „Das gehört sich nicht. Ein Gespräch, zumindest einen etwas würdevolleren Abschied hätte ich mir gewünscht“, sagt der Mann. Zumal es im Dezember noch geheißen hatte: „Das Sanierungsverfahren läuft ohne Entlassungen“. Schon bei der Schließung des Standorts Duisburg habe man sich so 2012 der Belegschaft entledigt. „Die haben nichts gelernt. Dabei sind wir ein People-Business. Wir werden dafür ausgebildet, wie wir mit den Leuten im Verkauf und Service umzugehen haben. Aber intern zählt das wohl nicht.“

Die Vorgesetzen waren nicht informiert

Von der Entlassungswelle verschont blieb ein anderer Tectum-Mitarbeiter. Stillschweigen will er dennoch nicht. „Was passiert ist, war Duisburg 2.0 (dort wurde der Standort nach einem Jahr Arbeit 2012 geschlossen, die Red.). Dass Mitarbeiter entgegen der Versprechungen der Geschäftsführung entlassen werden sollten, wusste die Presse eher als wir. Die Kündigungen wurden per Kurier verschickt. Sie sollten eigentlich noch am selben Abend zugestellt werden. Dies ist nicht passiert. Tags darauf kamen Mitarbeiter auf die Produktionsebene, erleichtert, keine Kündigung bekommen zu haben und wunderten sich, warum sie sich nicht mehr an ihrem Rechner anmelden konnten. Unsere Vorgesetzten waren in keiner Weise informiert. Manche Kollegen haben noch stundenlang gearbeitet, in dem trügerischen Glauben, nicht gekündigt worden zu sein.“

Besonders bitter für den Tectum-Beschäftigten, der aus Sorge vor Repressalien anonym bleiben möchte:: „Am selben Tag kamen Menschen in die Firma, um am Welcome-Day teilzunehmen, der für mögliche Neueinstellungen als Info-Veranstaltung dient.“