Gelsenkirchen. „Soviel du brauchst“ - Die Losung des Ev. Kirchentags hat Pfarrer Heisig besonders bewegt. Er war mit einer Hartz-IV-Gruppe in Hamburg.
117.000 Teilnehmer kamen zum Ev. Kirchentag nach Hamburg, der unter der Losung „Soviel du brauchst“ stand. Mit dabei Dieter Heisig , Industrie- und Sozialpfarrer im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid, der mit einer Gruppe von fünf Hartz IV-Empfängern im Kleinbus in die Hansestadt reiste. Ein Nahziel steht dagegen für evangelische Christen am Donnerstag auf dem Plan: Im Stadtgarten wird Christi Himmelfahrt ein Freiluft-Gottesdienst gefeiert.
Was hat Sie in Hamburg am meisten bewegt?
Heisig: Die Losung „Soviel du brauchst“. Sie ist so einfach, aber doch auch dringlich. Sie ist menschlich und – obwohl sie aus dem Alten Testament stammt – aktuell.
War der Ev. Kirchentag rückblickend betrachtet eher ein Happening oder eine gesellschaftspolitisch richtungsweisende Veranstaltung?
Heisig: Beides. Das hängt ganz davon ab, was man sich als Teilnehmer aus dem Programm heraussucht. Jeder kann das wählen, was er braucht. Die einen sehen den Kirchentag als Ort für mystische Worte und erhalten Antwort auf ihre Fragen, andere sehen ihn als eine kapitalismuskritische Veranstaltung. Deswegen wird der Kirchentag häufig in die linkspolitische Ecke gerückt. Aber wohlgemerkt: Kirche sieht sich nicht als eine bessere Partei, sondern es geht um die Konsequenzen der Bibelauslegung.
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Es ging auf dem Kirchentag auch um die Bezahlung der Kirchenmitarbeiter und das Recht auf Streik. Gab es Impulse für die öffentliche Diskussion?
Heisig: Da stehen aus juristischer Sicht das Grundrecht auf Bildung von Koalitionen und das Grundrecht, dass die Kirche ihre Angelegenheiten selbst regelt, gegenüber. Trotz Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes vermute ich, dass der Konflikt auf kleiner Flamme weiterköchelt.
Sind Politiker auf dem Kirchentag auf der „richtigen“ Veranstaltung?
Heisig: Ja, denn Politiker müssen sich einem kritischen Publikum stellen. Es bedeutet Menschen etwas, sie bei einer Bibelarbeit oder in der Diskussion zu erleben.
Was wird von der Losung „Soviel du brauchst“ bleiben?
Heisig: Ich habe die Hoffnung, dass die Losung in den Alltag hineinwirkt, dass hinterfragt wird, ob Fortschritt ist, wenn es immer schneller, höher und weiter geht, es immer mehr Wachstum geben muss.
Hat der Kirchentag konkrete Auswirkungen auf Ihre Gemeindearbeit?
Heisig: Für meinen Arbeitsbereich wird er Einfluss haben, zum Beispiel auf das Thema Wirtschaftsordnung und Gerechtigkeit. Im Gespräch mit den Hartz IV-Empfängern beispielsweise wurde diskutiert, was Kirche dabei leisten kann.
Und Ihr persönliches Resümee ...
Heisig: ... ist positiv. Und sei es, dass wir als Masse aufgetreten sind und nicht als kleines Häuflein. Das wurde bei der Bibelarbeit mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière deutlich, den man mit Gesängen versucht hat zu unterbrechen. Das hat gezeigt, dass es wieder mehr Bewegung an der Basis gibt, dass es den Eindruck machte wie es vor 30 Jahren war. Und: Der Kirchentag hat Menschen neugierig gemacht auf Kirche und Gemeindearbeit.