Gelsenkirchen. Als Günter Schönenberg hat der Gelsenkirchener die Nazi-Zeit in Holland, später in Frankreich überlebt. Als er 1947 in die USA auswanderte, setzte er einen neuen Namen an den Anfang seines Lebens in Freiheit: George G. Shelton.

Als Günter Schönenberg hat der Gelsenkirchener die Nazi-Zeit in Holland, später in Frankreich überlebt. Als er 1947 in die USA auswanderte, setzte er einen neuen Namen an den Anfang seines Lebens in Freiheit: George G. Shelton. An der Wanner Straße 119 hat der Künstler Gunter Demnig am Montagmorgen Stolpersteine für die Familie Schönenberg verlegt.

Namentlich erinnern sie an Selma Schönenberg, geborene Rosenthal, Günters Mutter. Zunächst in ein jüdisches Altersheim in Bielefeld zwangseingewiesen, starb sie während des Transports zum Konzentrationslager Auschwitz 1942.

Zum Gedenken an Erna Gradenwitz, geb. Schönenberg, die am 30. November 1943 in Auschwitz ermordet wurde, liegt vor dem Haus Nr. 119 der zweite Stein. Der dritte ist Günter Schönenberg gewidmet, dem überlebenden Holocaust-Opfer der Familie. Er starb im November 2002 in seiner Wahlheimat im Alter von 82 Jahren.

Alles endete mit den Nazis

Über das finstere, von Furcht geprägte Kapitel seines jungen Lebens hat er seiner Tochter Jaqueline berichtet. Auch von jenen aufrechten Menschen in den Niederlanden, die ihn bis 1943 vor den Nazi-Schergen versteckt hielten. Angehörige dieser beherzten Familie waren es auch, die anhand eines alten Fotos recherchierten – und Jacky Shelton in San Francisco fanden. Die heute 49-jährige Tochter von Günter Schönenberg machte sich mit ihren beiden Kindern Joshua und Aaron auf die Reise, um gemeinsam mit ihren niederländischen Gastgebern an der Stolpersteinverlegung unter Patenschaft des Inner Wheel Clubs und der abendlichen Gedenkstunde in der Bleckkirche teilzunehmen. Die Initiatoren der Aktion, Heike und Andreas Jordan von Gelsenzentrum hatten sie dazu eingeladen.

„Es waren ganz normale Menschen, die in Gelsenkirchen lebten. Einige in einem eigenen Haus, einige zur Miete. Juden und Katholiken lebten Tür an Tür, Menschen wie du und ich. Alles endete mit den Nazis ...“ In der Muttersprache ihres Vaters wandte sich Günter Schönenbergs Tochter an die Versammelten. „Jüdische Kinder durften nicht mehr in ihre Schule gehen. Leute waren gezwungen zu fliehen. Wer Pech hatte, wie meine Großmutter und meine Tante, endete in Auschwitz oder Riga.“

Jacky Shelton hob die Bedeutung der Stolpersteine hervor. „Wenn ein Mensch im KZ gestorben ist, gibt es keinen Ort, an dem man beten und sich erinnern kann. Die Steine erinnern an den Ort, wo die Holocaust-Opfer einmal ein ganz normales Leben geführt haben – mitten in der Gemeinschaft.“

Notwendiges Nachdenken

Joachim Rönneper ist Herausgeber des Buches „Vor meiner Haustür...“, das die Stolpersteine von Gunter Demnig – aktuell sind es rund 40.000 in ganz Europa – begleitet. Montagabend las Rönneper Passagen daraus in der Bleckkirche und erzählte von seinen Begegnungen mit dem Künstler, den er Ende der 1980er Jahre kennen- und schnell schätzen gelernt hat.

Es gebe Kritiker der Aktion, weil die Steine den Eindruck erweckten, man trete auf die Opfer. Aber, so Rönneper, „der Stolperstein zwingt den Nachbarn von heute, sich an den Nachbarn von gestern zu erinnern“. Demnig selbst hätte einmal gesagt: „Bilder hängen an der Wand. Stolperstein liegen uns zu Füßen.“ Und würden durch ein Stolpern dazu führen, dass sich Menschen damit auseinander setzen. Der Abend selbst, untermalt von zarten Kompositionen des Musikers Leon Gurvitch, verführte zum notwendigen Nachdenken über ein Kapitel deutscher Geschichte, dessen Zeitzeugen bald kaum noch erzählen können.

Gedenken an NS-Opfer

Der Kölner Bildhauer Gunter Deming (mit Hut) ...
Der Kölner Bildhauer Gunter Deming (mit Hut) ... © WAZ FotoPool
kam erneut in die Stadt, um ...
kam erneut in die Stadt, um ... © WAZ FotoPool
18 weitere Stolpersteine zu verlegen.
18 weitere Stolpersteine zu verlegen. © WAZ FotoPool
Allein vor dem Haus Bismarckstraße 152 ließ er acht Steine in den Boden ein.
Allein vor dem Haus Bismarckstraße 152 ließ er acht Steine in den Boden ein. © WAZ FotoPool
Der jüdische Vorbeter Nurieh Sommerfeld verlas das traditionelle Totengebet. Hinter ihm stehen Oberbürgermeister Frank Baranowski (li.) und Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde.
Der jüdische Vorbeter Nurieh Sommerfeld verlas das traditionelle Totengebet. Hinter ihm stehen Oberbürgermeister Frank Baranowski (li.) und Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. © WAZ FotoPool
Mehr als 27000 Steine hat Demnig seit 1996 in rund 600 Städten...
Mehr als 27000 Steine hat Demnig seit 1996 in rund 600 Städten... © WAZ FotoPool
bisher verlegt - in neun europäischen Ländern.
bisher verlegt - in neun europäischen Ländern. © WAZ FotoPool
Anfangs geschah dies ohne Erleubnis der Behörden, seit 2001 aber mit Zustimmung.
Anfangs geschah dies ohne Erleubnis der Behörden, seit 2001 aber mit Zustimmung. © WAZ FotoPool
Todestag und - ort eingraviert sind.
Todestag und - ort eingraviert sind. © WAZ FotoPool
In Gelsenkirchen verlegte Deming im Jahr 2009 erstmals die Gedenksteine, in die ...
In Gelsenkirchen verlegte Deming im Jahr 2009 erstmals die Gedenksteine, in die ... © WAZ FotoPool
jeweils Name, Geburtsort und -datum sowie
jeweils Name, Geburtsort und -datum sowie © WAZ FotoPool
Der Gelsenkirchener Musiker Norbert Labatzki spielte Klezmer- Lieder auf der Klarinette.
Der Gelsenkirchener Musiker Norbert Labatzki spielte Klezmer- Lieder auf der Klarinette. © WAZ FotoPool
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