Gelsenkirchen.
Immer wenn er auf seine Tochter zu sprechen kommt, fließen die Tränen: „Meine Exfrau hat sie mit einhundert Messerstichen ermordet. Dadurch ist das alles gekommen“, versuchte ein 54-jähriger Gelsenkirchener seinen erneuten Absturz in die Drogensucht und die damit verbundene Beschaffungskriminalität vor dem Essener Landgericht zu erklären.
Im Zeitraum Mai 2011 bis April 2012 finanzierte er sich durch Diebstahl, zum Beispiel von Parfüm oder Schalke Fan-Artikeln. Sein Betätigungsfeld war rund um den Gelsenkirchener Hauptbahnhof. Dort soll er auch eine Frau zur Seite gestoßen haben, um ihr einen zehn Euro Schein aus der Hand zu reißen. Aus einem Schuhgeschäft an der Bahnhofstraße verschwand er, nachdem er ein paar ein Paar Stiefel im Wert von 29.90 Euro angezogen hatte.
Schicksalsschläge reichen für viele Leben
Die Schicksalsschläge, die der 54-Jährigen schildert, reichen eigentlich für viele Leben: Er war noch keine fünf Jahre alt, als seine Mutter bei der Geburt des fünften Kindes starb. Sein Vater habe daraufhin die Hebamme „halb tot geschlagen“ und das Haus angezündet. Der Vater musste in Haft, die vier Kinder ins Heim. Nach einem halben Jahr wurden sie bei Verwandten in Ungarn untergebracht. Im Alter von zwölf Jahren erkrankte er schwer an Tuberkulose. Mit vierzehn Jahren nahm er Opium, Codein und Morphium. 1981 zog er mit Ehefrau und 1981 geborener Tochter in den Westen. Erst Wien, später Gelsenkirchen. Zwischendurch war er nach eigenen Angaben drogenfrei.
Aber immer wieder gab es Rückfälle. Und immer wieder wurde er auch straffällig. 1988 dann die Scheidung. Seine Tochter landete vorübergehend im Rollstuhl, weil sie sich aus Liebeskummer von einer Brücke gestürzt hatte, so berichtet der Angeklagte. Sie lebte bei der Mutter, die die Tochter nach seiner Darstellung 2003 im Schlaf erstach. In derselben Nacht soll die Exfrau sich mit Messerstichen in die Leber ebenfalls getötet haben. Sechzehn Monate war er auch schon einmal zur Drogentherapie untergebracht. „Horror“ nennt er die Zeit, die offenbar wenig erfolgreich war. Die XVI. Strafkammer setzte zwei weitere Verhandlungstage für den Prozess an, um dann zu entscheiden, wie es mit dem Gelsenkirchener weitergeht.