Gelsenkirchen.

Die 15 Schauspieler vom Senioreneinsatzkommando gehen neue Wege: Mit ihrem Konzept ergründen sie den Grenzbereich zwischen Straßentheater und Alltag.

Das Gleis 8 am Gelsenkirchener Hauptbahnhof liegt normalerweise einsam und verlassen. Seit Jahren fahren hier keine Züge mehr. Dass der Bahnsteig am Samstag zur Kulisse einer Theaterszene wurde, merkten daher nur Insider. Denn es passierte – nichts. Die zehn beteiligten Seniorenschauspieler schlenderten auf und ab, telefonierten und warteten auf den Zug. Der natürlich nicht kam.

Die Szene gehörte zur ersten Inszenierung des Senioreneinsatzkommandos: 15 Senioren, die über das ganze Jahr verteilt an sieben Tagen sieben verschiedene Themen sozialkritisch beleuchten – und die Grenze zwischen Alltag und Theater, zwischen Realität und Inszenierung verschwimmen lassen.

Ein Theater ohne Publikum. Was steckt hinter der Idee? „Es geht darum, neue Erfahrungen zu machen, die Stadt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen“, beschreiben Georg Kentrup und Andrea Kramer vom Consol-Theater, die den Senioren mit Rat und Tat zur Seite stehen. Mit sieben Themen rund um Gelsenkirchen befasst sich die Gruppe in diesem Jahr, geht raus, beobachtet.

Straßentheater lässt Realitäten verschwimmen

Am Samstag mischte man sich zum ersten Mal unter die Leute. Das Thema: Mobilität. Klar, dass der Hauptbahnhof da der richtige Ort ist. Doch nicht immer blieben die Senioren so unbemerkt, wie an Gleis 8. Weiter unten, am Ticketautomat, sorgten sie viel Aufsehen. Während Schauspielerin Barbara Johnson, die als einzige Beteiligte noch jede Menge Zeit bis zur Rente hat, vergeblich mit dem Automaten und einem Hundert-Euro-Schein kämpfte, kam unter den Senioren in der Schlange Unruhe auf.

Als die angebotene Hilfe darin endete, dass der Geldschein vom Automaten gefressen wurde und schließlich in 2 Euro-Münzen auf dem Boden landete, war der Tumult perfekt. „So eine Szene bekommt eine ganze eigene Dynamik. Wenn sich Außenstehende einmischen, verschwimmen die Realitäten. Das ist extrem spannend“, stellt Georg Kentrup den Reiz dieses besonderen Straßentheaters heraus.

Spannend war es für die Senioren, aber auch für Regisseur Lee Beagley. „Normalerweise geht es beim Theater ja darum, sich zu darzustellen, zu inszenieren. Hier ist genau das Gegenteil der Fall: Du musst dich unsichtbar machen und trotzdem die Rolle verkörpern. Manchmal wird halt der Ticketautomat zur Hauptperson“, erklärt der Engländer, der sonst am Bremer Theater für seine Shakespeare-Inszenierungen gefeiert wird.