Gelsenkirchen.

Wenn Sie am Sonntag irgendwo in der Stadt Straßenkünstler in Aktion sehen, die allesamt deutlich mehr als sechzig Lenze auf dem Buckel haben, dann geizen Sie nicht mit Beifall: Denn die acht mutigen Senioren feiern ihre Premiere als Straßenakteure. Bis zum Wochenende üben sie noch intensiv für ihren Auftritt, und zwar beim ersten NRW-Seniorentheatertreffen „WILDwest“ im Consol Theater.

Und wild auf Theater sind sie alle, die sich zurzeit auf dem ehemaligen Zechengelände in Bismarck tummeln. „Diese Menschen brennen fürs Theater“, stellt auch Georg Kentrup, Sprecher vom Consol, begeistert fest. Seit Donnerstag geht auf dem Gelände ein kreatives Treffen nordrhein-westfälischer Ensembles über die Bühne, deren Akteure alles andere als alt wirken. Obwohl sie teilweise bereits über 80 Jahre alt sind. Auch wenn die Schläfen grau und die Beine manchmal schwer sind, im Herzen sind diese Mimen jung geblieben.

Shakespeare statt Pillen, Rollenspiel statt Rollator und Bühne mit oder ohne Betablocker: Bei diesem Festival strotzen die Senioren nur so vor Vitalität und Spielfreude, vor Neugier und Lust auf Neues. Auf Consol präsentieren sie einen Querschnitt aus den besten Inszenierungen der Seniorentheaterszene des Landes. Neben den Bühnenvorstellungen bietet „WildWest“ in Kooperation mit dem NRW Ministerium für Kultur und dem Kompetenzzentrum für Kultur und Bildung im Alter aber auch Foren, Diskussionsrunden und Workshops an.

Klänge mit dem Körper erzeugen

Ruth Heine aus Herten zum Beispiel mischt voller Elan mit beim Workshop „Bodysound“ in der ehemaligen Lüfterhalle. Die 65-Jährige stampft zusammen mit sieben Mitspielern auf den Boden, klatscht in die Hände, wiegt sich im Rhythmus, den Workshop-Leiter Holger Heydt vorgibt. Wenn es gilt, Klänge mit dem Körper zu erzeugen, ist die Seniorengruppe voll in ihrem Element. Ruth Heine erhofft sich neue Inspirationen, für ihre eigene Kreativität, aber auch für ihre Aufgabe als Leiterin der Seniorentheatergruppe „Die Fidelen“.

Fidel, das sind auch die Teilnehmer des Workshops „Schatztruhe des Lebens“. In der wird unter Anleitung von Ingrid Berzau kräftig in Erinnerungen gestöbert. Mit dem sogenannten biografischen Theater, bei dem sich Senioren mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, begann einst der Boom der Theater mit Menschen in der fortgeschrittenen Lebensphase. Die Gelsenkirchenerin Gisela Majewski ist mit Herzblut dabei, wenn es gilt, Szenen nachzustellen, Geschichten Gestalt zu verleihen. „Seit ich 20 bin, mache ich Theater“, sagte die 79-Jährige. Früher, da sei sie richtig schüchtern gewesen: „Die Bühne hat mir dagegen geholfen, heute liebe ich das Theaterspielen.“

WILDwest noch bis Sonntag zu erleben

Den Workshop nutzt sie, um neue Ideen für die Mitarbeit in der Gelsenkirchener Gruppe „Synovia“ zu bekommen: „Hier gibt’s gute Anregungen und die Chance, neue Leute kennenzulernen.“ Seit vier Jahren steht auch Reinhold Stania aus Resse auf der Consol-Seniorenbühne. „Früher“, scherzt der 60-Jährige, „hatte ich nur zu Hause Theater, inzwischen stehe ich regelmäßig auf der Bühne.“ Die bildet für ihn nun erstmals die Straße.

Die Gruppe steht auf dem Pflaster vor dem Theater, und der Londoner Schauspieler Lee Beagley gibt launige Anweisungen. „Wir setzen uns mit dem Straßentheater einer echten Stresssituation aus“, gesteht Mitspieler Kania. Im Theater komme das Publikum gezielt, auf der Straße werde es überrascht. Vor allem wisse man nicht, wie die Menschen reagieren: „Zwischen Applaus und Baseballschläger ist alles möglich.“

„WILDwest“ endet am Sonntag mit einer Preisverleihung (14) Uhr und einer letzten Vorstellung. Infos: www.wildwest-nrw.de