Gelsenkirchen.

Es gibt Worte, die sind schon durch die Geschichte dieses Landes und durch ihre Definition extrem negativ besetzt. Der Ausdruck „Propaganda“ zählt dazu. Und weil die CDU über ihren Fraktionsvorsitzenden Werner Wöll dem Oberbürgermeister im Hauptausschuss (HFBP) am Donnerstag vorwarf, ein Magazin, das das Stadtmarketing (SMG) 15 Monate vor der Kommunalwahl neu einführen will, als Propaganda-Mittel für sich benutzen zu wollen, platzte Frank Baranowski der Kragen.

Propaganda bezeichnet laut Definition einen absichtlichen und systematischen Versuch, Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in Richtung von erwünschten Reaktionen zu steuern. Durch die Monopolisierung insbesondere im Nationalsozialismus und Stalinismus erhielt der Begriff einen stark abwertenden Charakter.

Scharfe Worte zwischen Wöll und Baranowski

Werner Wöll unterstellte am Donnerstag dem OB im Namen seiner Fraktion, Einfluss auf den Inhalt des Magazins nehmen zu wollen, dessen Konzept SMG-Geschäftsführer Markus Schwardtmann im HFBP in groben Zügen vorstellte, und sagte: „Was hier eingestielt wird, das ist Propaganda auf Kosten des Steuerzahlers! Mit diesem Magazin soll Öffentlichkeitsarbeit für den Oberbürgermeister betrieben werden. Und ich hatte Sie ja schon mal gefragt, ob sie während der Kommunalwahl 2014 zur Wiederwahl antreten wollen oder erst 2015. Diese Frage haben Sie mir heute beantwortet: Sie werden 2014 antreten.“

Baranowski warf Wöll in einer ersten Reaktion kleinkariertes Denken und eine starre Handlungsweise vor, die ihm selbst völlig fremd sei, ehe er wenig später so antwortete: „Ich bin empört. Das ist ein Angriff auf die Integrität meiner Mitarbeiter. Das ist eine ganz platte Nummer. Dass Sie mich angreifen, das muss ich akzeptieren. Ich stehe in der politischen Küche, aber die Unterstellung in Richtung meiner Mitarbeiter, die so ein Handeln von mir übrigens nie zulassen würden, die müssen sie zurücknehmen.“

„Das haben Sie gar nicht nötig“

Das tat Wöll auch, nachdem Vertreter anderer Parteien den Oberbürgermeister bereits verteidigt hatten. „Der OB und ich sind keine Busenfreunde, aber der Vorwurf ist unter der Gürtellinie“, sagte etwa Monika Gärtner-Engel (AUF), und Marion Strohmeier (BBG) formulierte in Richtung Baranowski: „Das haben Sie gar nicht nötig.“

Und zur Sachlichkeit trug Peter Tertocha (Grüne) bei: „Die Mittelausgabe für neue Produkte ist im Haushalt so vorgesehen. Das hätte als Kritik so in die Haushaltsberatung gehört.“

Kommentar - Die CDU greift bei der Wortwahl völlig daneben 

In groben Zügen stellte Öffentlichkeitsarbeiter Markus Schwardtmann dem Hauptausschuss das Konzept der „Stadtzeitung“ vor. Im Kern soll sie die Menschen in Gelsenkirchen, die keine Zeitung lesen oder im Internet unterwegs sind, über Verwaltungsarbeit informieren. Daran ist, zunächst einmal, nichts Ehrenrühriges zu erkennen – die CDU aber scheint die bloße Ankündigung dieses Magazins bereits zu überfordern. Sie schlug verbal unterhalb der Gürtellinie zu und warf dem Oberbürgermeister vor, Propaganda auf Kosten des Steuerzahlers einzustielen.

Das Wort „Propaganda“ zeigte, wie nicht anders zu erwarten war, eine Wirkung bei Frank Baranowski. Der OB reagiert auf Begriffe dieser Art sensitiv, weil sie durch den Nationalsozialismus negativ geprägt sind und er damit nicht in Verbindung gebracht werden will.

Kritik entbehrt Substanz

Doch es war nicht nur die neben der Spur liegende Wortwahl der CDU, die überrascht. Auch die Diskussion über ein noch inhaltleeres, ein nur angekündigtes Produkt lässt 15 Monate vor der Kommunalwahl nichts Gutes erahnen.

Die CDU befindet sich auf der Suche nach einem Profil, das sich abhebt von den politischen Gegnern und polarisiert gezielt. Das ist nicht falsch und ihr gutes Recht. Es wäre nur schön, wenn die Kritik auch ein wenig Substanz erkennen lassen würde.
Denn mit Bordmitteln der Stadtmarketinggesellschaft soll eine „Stadtzeitung“ herausgebracht werden. Das ist nicht wirklich etwas Neues. Das gab’s schon in Gelsenkirchen und gibt es anderswo. Bis Ende 2009 erschien hier die „Aktuelle Rathaus-Post“ als Vorläuferin. Und sollte die neue Konzernzeitung der Verwaltung tatsächlich politisch gefärbte Beiträge enthalten, hätte die CDU jedes Recht auf Kritik – mit der Wahl der richtigen Worte. Und sie würde damit sicherlich nicht allein stehen.