Gelsenkirchen. Inhaftierte gegen Vollzugsdienst, Richter und Anwälte im Strafraum – und alle gemeinsam am Ball.Beim Turnier in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen ging es um Tore, Punkte und ein Stück sportlichen Alltag.

Der Sportplatz liegt unter einer dicken, harten Schneedecke. Die Tore ragen aus dem weißen Einerlei heraus, heben sich kaum ab von den weißen Mauern. Der Stacheldraht auf dem Zaun davor ist aus der Ferne kaum zu erkennen. Bis hier wieder der Ball rollt, wird noch einige Zeit vergehen. Winterzeit ist Hallenzeit. Auch in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen. Unterm Dach geht es daher dort Freitag um Punkte und Pokale. Acht Teams sind dabei, beim Kick im Knast.

Vor der Hallentür nehmen die Bratwürste auf dem Grill Farbe an, der obligatorische Getränkestand ist mit Softdrinks bestückt, ein paar Raucher drücken sich in eine windstille Ecke. Alles wie bei den meisten Feld-Wald-und-Wiesen-Turnieren. Allein der Besucherzustrom ist, nun ja, äußerst begrenzt. Und die Bewegungsfreiheit jenseits des Spielfelds sichtbar eingeschränkt.

Eine Verteidigerin im Angriff

Aus der Sotha, der Sozialtherapeutischen Anstalt an der Munckelstraße, sind zwei Mannschaften am Ball, vier Hafthaus-Teams stellt die JVA, beim Turnier sind auch Mitarbeiter aus dem allgemeinen Vollzugsdienst in der Feldmark und eine Mixed-Mannschaft aus Richtern und Anwälten. Blau-weiße Trikots trägt das Team. Schalke-Fans? „Nee, wirklich nicht“, brummelt einer der Kicker. In ihren Reihen spielt Jenny Lederer mit. Strafverteidigerin ist sie – und an diesem Tag die einzige Frau auf dem Platz. 2:2 hat ihre Hobbytruppe die beiden ersten Vorrundenspiele jeweils beendet. Das lässt immerhin Perspektiven für die Zwischenrunde...

Bei den JVA-Mitarbeitern läuft’s rund. Mit 6:0 fertigen sie die Sotha II im zweiten Vorrundenspiel ab. Der Torreigen war nicht unbedingt zu erwarten. „Wir haben vorher nicht trainiert und nur geguckt, wer überhaupt Zeit hat und antreten kann“, sagt Dominik Zollhofer. Gegen die JVA-Bediensteten, glaubt er, gehe es nicht nur um Tore, Punkte und den Pott. „Ich glaube, dass sich die anderen gegen uns schon etwas mehr ins Zeug legen. Aber bisher läuft es super.“

Auf der Treppe zur Sporthalle posiert die Mitarbeiter-Mannschaft der JVA: Dennis Weikam (v.l.), Dirk Ihsing, Dominik Zollhöfer, Phil-Robin Groß-Hardt, Jan Witt und Torwart Thorsten Richter (vorne).
Auf der Treppe zur Sporthalle posiert die Mitarbeiter-Mannschaft der JVA: Dennis Weikam (v.l.), Dirk Ihsing, Dominik Zollhöfer, Phil-Robin Groß-Hardt, Jan Witt und Torwart Thorsten Richter (vorne). © WAZ FotoPool

Nächste Partie: Ein satter, platzierter Volleyschuss knallt Richtung Tor, der Keeper pariert, der Filzball klatscht zurück ins Feld. Chance vertan. Auf der Tribüne gibt es vereinzelt Szenenapplaus. „Sauber“ tönt es aus dem Mannschaftsblock. Hier sitzen verschwitzte Gegner-Teams und gucken, was in der nächsten Runde auf dem Kleinfeld sportlich zu erwarten ist. Thomas, 43, wirkt leicht angefressen. „Wir haben im ersten Spiel kurz vor Schluss ein blödes Tor kassiert und verloren, jetzt stehen wir schon unter Zugzwang.“ Die Nummer 13 trägt er als Rückennummer – wohl keine Glückszahl. Seit 18 Jahren ist der Familienvater in Haft, 13 Jahre hat er in Werl abgesessen. Nun also Gelsenkirchen, die Sotha mit ihrem therapeutischen Ansatz.

Gymnastik in den Haftabteilungen

„Kurz nach Weihnachten haben wir da noch mal spielen können“, sagt Thomas. Da war der kleine Handballplatz im Hof schneefrei. Dreimal die Woche Ausdauersport und Tischtennis sind in der Sotha für Inhaftierte möglich, in den Haftabteilungen wird auch Gymnastik angeboten. „Das wird genutzt“, sagt Thomas, „auch wenn sich viele das erst mal anschauen und sich überwinden, so was zu machen. Aber in der Sotha kommt man ja ohnehin mehr ans Nachdenken, stellt sich in Frage. Man hat ja nun mal Scheiß gemacht.“ Sport hilft da bei der Konzentration auf ein anderes Leben. Und er bringt etwas Abwechslung in den Knast-Alltag. „Man fühlt sich dabei einfach etwas freier“, findet Thomas.

Den Schiri geben Freitag zwei Inhaftierte an der Linie. Viel zu tun haben sie nicht. Auf dem Platz herrscht Fairplay.

Organisation durch den Verein für Betreuungshilfe

Das Turnier wurde vom Verein für Betreuungshilfe organisiert und finanziert. der Verein half bei den Triko-Sätzen, der Verpflegung und den Getränken. Die ersten beiden Plätze belegten am Freitag die Haft-Teams aus B- und C-Flügel, gefolgt von der Mannschaft der Therapievorbereitung. Die Juristen landeten übrigens auf Rang vier.

Im Haftalltag ist Sport generell gefragt, sagt JVA-Sozialarbeiter Peter Wilde. „Unsere knapp 30 Gruppen für Männer und Frauen sind in der Regel voll. Wir haben Wartelisten.“ Es gehe auch darum, Team-Gedanken zu fördern. „Gerade bei unseren jungen Wilden ist das wichtig für die weitere Entwicklung.“