Gelsenkrichen. Gelsenkirchens Agenturchef Karl Tymister sieht am Arbeitsmarkt positive Signale. Verbundausbildung als Alternative für Einmann-Handwerksbetriebe. Partner arbeiten beim Thema Ansiedlung Hand in Hand.
Gelsenkirchen ist für Arbeitsmarktforscher und Berufsexperten ein besonders heißes Pflaster. Die Arbeitslosenquote ist mit 13,5 Prozent die höchste unter den Revierkommunen. Über 16700 Menschen sind ohne Job. Seit November ist Karl Tymister Chef der Agentur für Arbeit. Wir sprachen mit dem Aachener über Perspektiven für 2013.
Einige Großbetriebe in Gelsenkirchen bauten im letzten Jahr Personal ab. Arbeitsplätze gingen verloren, viele sind auch heute noch gefährdet. Sehen sie dennoch positive Signale für dieses Jahr.
Karl Tymister: Die habe ich schon im letzten Jahr gesehen. Zwar hat es einen deutlichen Abbau an Arbeitsplätzen gegeben, doch haben wir gleichzeitig mit über 74000 einen Höchststand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erreicht. Das sind positive Signale, auch wenn aus einer Reihe von Vollzeit- Teilzeitstellen wurden. Zur Euphorie besteht also kein Anlass.
Im Mai ist endgültig Schicht bei St. Gobain in Bulmke. In dem früheren Stahlwerk des Schalker Vereins arbeiteten einst über 6000 Menschen. Meistert die Stadt den Strukturwandel?
Tymister: Es würde Gelsenkirchen sicherlich sehr gut tun, wenn der Stadt der große Wurf gelänge. Alle Partner - ob wir als Agentur, die Wirtschaftsförderung, Industrie, der Handel, Handwerk oder Gewerkschaften - arbeiten bei der Frage von Ansiedlungsmöglichkeiten ganz eng zusammen. Es bestehen gute Chancen für Unternehmen. Wir können als Agentur qualifizierte Mitarbeiter anbieten, über die andere in dem Maße nicht mehr verfügen.
In einigen Handwerksbereichen fehlt es bereits an qualifiziertem Nachwuchs. Drohen weiteren Betrieben Engpässe innerhalb der nächsten Jahre?
Tymister: Ich sehe die Situation noch nicht so dramatisch. Bis 2020 werden wir etwa zehn Prozent weniger Schulabgänger haben. In diesem Jahr wird noch keine Anspannung spürbar sein. Sicherlich werden einige Betriebsinhaber auch weit nach vorne schauen und möglicherweise in manchem zukünftigen Bewerber auch einen potenziellen Betriebsnachfolger sehen.
Auf der anderen Seite bilden viele Handwerksbetriebe gar nicht aus. Welche Anreize können geschaffen werden, damit die Ausbildungsbereitschaft zunimmt?
Tymister: Es gibt viele sogenannte Einmann-Betriebe, in denen nicht ausgebildet werden kann. In einigen Fällen wäre eine Verbundausbildung sicherlich einer Alternative. Oft fehlt den Inhabern aber auch die Beratung, wie sie beispielsweise die Ausbildungseignerprüfung schaffen können. Im Schulterschluss mit den Kammern wollen wir Möglichkeiten anbieten.
Jugendliche konzentrieren sich bei über 300 Berufswahlmöglichkeiten auf 20 Berufe. Sind sie schlecht vorbereitet, oder ist in der Region die Breite der Ausbildungsmöglichkeiten tatsächlich so eingeschränkt?
Tymister: Natürlich gibt der Markt nicht alle Berufsmöglichkeiten her. Unsere Aufgabe ist es, den Jugendlichen durch Beratung und Orientierung zu vermitteln, wo ihre Stärken liegen, wo sie sich kompetent fühlen. Wir müssen es schaffen, gemeinsam mit allen Bezugspersonen wie Eltern und Lehrern das Wissensinteresse der Jugendlichen zu wecken.
Was raten Sie Jugendlichen vor der Berufswahl, um möglichst aufs richtige Pferd zu setzen. Denn fast ein Drittel der jungen Leute bricht bereits im ersten Lehrjahr die Ausbildung ab.
Tymister: Sie sollten ihre Berufswünsche auch weiter verfolgen. Allerdings müssen sie auch Ratschläge annehmen, wenn es darum geht, ob die Wünsche am Markt auch umsetzbar sein werden. Sie müssen einen Plan B in der Tasche haben.
Mit welchen Aktionen will die Agentur für Arbeit in diesem Jahr Betriebe wie Jugendliche für Ausbildung gewinnen?
Tymister: Wichtig ist unser tägliches Geschäft, in dem wir beraten und vermitteln. Wir messen uns daran, wie viele Ausbildungsstellen wir besetzen konnten. Daneben gibt es Börsen und Messen für junge Leute