Essen. Weil er sich mit minderjährigen Jungen aus Gelsenkirchen “beliefern“ ließ, steht ein Kölner seit Montag vor dem Essener Landgericht. Ein Gelsenkirchener Zuhälter hatte Jungen aus seiner Nachbarschaft für den Angeklagten angeworben.

Thailand, Philippinen, Indonesien – asiatische Urlaubsländer gelten oft als Hochburgen der Kinderprostitution. Aber weite Reisen konnte sich ein 35-jähriger Kölner sparen. Er ließ sich von einem Gelsenkirchener Zuhälter mit minderjährigen Jungen aus dessen Nachbarschaft „beliefern“. Seit Montag muss sich der Kölner vor der Jugendschutzkammer am Landgericht Essen verantworten.

Klischees sind es, die diesen Fall verkörpern. Auf der einen Seite Kinder aus finanziell eher schwachen Familien. Fünf, sechs Namen nennt Staatsanwalt Gabriel Wais in seiner Anklage. Elf Jahre ist das jüngste Kind, die älteren sind 15. Für ein „Taschengeld“ sollen sie bereit gewesen sein, für die sexuellen Wünsche des Angeklagten zur Verfügung zu stehen. 20 bis 30 Euro soll er ihnen gezahlt haben. Wenn sie bestimmte Praktiken verweigerten, akzeptierte er das in der Regel.

Ein stämmiger Mann

Und da sitzt der Angeklagte. Ein stämmiger Mann, kein Adonis. Seit Juni sitzt er in der Untersuchungshaft. Aus gutem Haus vom Niederrhein stammt er. Aufgewachsen auf einem Familiengut und in einem Internat, kann er zudem auf adlige Wurzeln verweisen.

Finanziell ist er so gut ausgestattet, dass er vom Immobilienvermögen leben kann. Selbst erwirtschaftet hat er den Reichtum wohl nicht, sondern dank seiner Familie erhalten. Von einem gewissen Luxus ist zu hören, von vielen Auslandsreisen. Schiffe in Holland sollen ihm gehören. Man sieht es ihm nicht mehr an, als er von einem Justizwachtmeister in den Gerichtssaal geführt wird.

Minderjährige, die sich in den Großstädten prostituieren, hat es immer gegeben. Vom „Baby-Strich“ ist zu lesen, aber auch von „Strichern“, die sich der homosexuellen Szene anbieten. Aber im aktuellen Fall erschreckt, wie schnell der Gelsenkirchener Zuhälter Jungen aus seiner Nachbarschaft anwerben konnte. Über eine einschlägige Internet-Plattform hatte er den Kölner kennengelernt. Obwohl der Gelsenkirchener selbst nicht homosexuell ist, traf er sich mit dem Kölner zum Sex gegen Geld.

Erpressung mit Handyfilmen

Schnell äußerte dieser laut Anklage den Wunsch, mit minderjährigen Jungen zusammenzukommen. Kein Problem. Der Gelsenkirchener sprach einen Nachbarjungen an, ob dieser sich gegen ein „Taschengeld“ betatschen lassen wolle. Und dieser willigte ein. Auf einer Abraumhalde an der Sauerlandstraße in Gelsenkirchen-Bismarck oder in der Kölner Wohnung des Angeklagten kam es zu den Sex-Treffen. Angeblich habe der Gelsenkirchener sich vor Anfragen anderer Jungen kaum retten können.

Als der Kölner weniger zahlte, soll der Gelsenkirchener ihn mit Handyfilmen der Treffen erpresst haben. 150.000 Euro soll er verlangt, tatsächlich aber nur 1000 Euro erhalten haben. Der gesamte Fall flog auf, als eine Mutter sich über schulische Schwächen ihres Kindes wunderte und bei der Polizei Anzeige erstattete.