Essen. Die Anonymität des Internets lockt Pädophile. Wie sie ihre Sucht nach Sex mit Kindern in Chatsrooms befriedigen wollen, zeigte eindrucksvoll die ZDF-Doku “Gefährliche Freunde. Internetfalle für Kinder“. Eltern bekommen von den Aktivitäten bei Facebook oder knuddels.de kaum etwas mit

"Steig niemals bei Fremden ins Auto!" "Lass dir von Unbekannten keine Süßigkeiten schenken!" Solche Sätze hören Kinder oft. Ihre Eltern wollen so verhindern, dass sie Opfer einer Gewalttag werden.

„Rede nicht mit fremden Leuten in Chatrooms!“ wird Kindern hingegen seltener gesagt. Dabei suchen sich Pädophile heute genau dort ihre Opfer, machen sie neugierig, überreden sie zu einem Treffen. Wie leicht es Sextäter im Internet haben, zeigt die ZDF-Dokumentation „Gefährliche Freunde. Internetfalle für Kinder“.

Es dauert keine zwei Minuten, da wird die neunjährige Julia im Chatroom von einem angeblich ungefähr gleichaltrigen Jungen angesprochen. Nach noch mal zwei Minuten fordert diese sie auf, ihr Höschen auszuziehen und sich selber im Genitalbereich zu berühren.

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Mama und Papa bekommen davon nichts mit, denn Julia hat einen eigenen Laptop in ihrem Zimmer. Ein paar Tage später tauscht sie mit ihrem neuen Internetfreund, der sich Daniel nennt und aus Leipzig kommt, die Handynummern. Sie schreiben sich SMS, er will sie treffen, mit ihr ins Kino gehen, anschließend ins Schwimmbad und dann noch im Wald spazieren, wo er sie auch nackt filmen möchte. Ob sie denn nicht stolz sei, dass sie mit ihren 9 Jahren dann bereits wüsste, wie Geschlechtsverkehr funktioniert?

Spätestens an dieser Stelle der ZDF-Dokumentation „Gefährliche Freunde“ werden viele Eltern in das Zimmer ihrer Kinder gelaufen sein, um sich deren PC genau anzusehen. Zum Glück ist Julia nur erfunden, ein ZDF-Team hat sich in Chats als 9-Jährige ausgegeben und von einem Pädophilen ködern lassen.

Keine Zeit, den Kindern beim Surfen über die Schulter zu sehen

Was Kinder so treiben, wenn sie alleine im Internet surfen, und wen sie dort treffen, wissen viele Eltern nicht. „Wir haben drei Töchter und einfach nicht die Zeit, ihnen immer über die Schulter zu sehen, wenn sie im Internet sind“, erzählt der Vater von Nina.

Nina ist 13 Jahre alt und im Gegensatz zu Julia echt. Und auch ein echtes Opfer eines Pädophilen, der sich seine Beute im Internet sucht. Sie chattet über Tage hinweg immer wieder mit dem Mann, den sie für einen Teenager hält, schickt ihm sogar Nacktfotos. Dann möchte er sich mit Nina treffen, er schlägt einen S-Bahnhof weit außerhalb der Stadt vor.

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Ninas Vater fährt sie dorthin, sie wolle sich mit Freundinnen treffen, sagt sie, aber er wird misstrauisch und bleibt bei seiner Tochter. Der Mann aus dem Chatroom lässt sich nicht blicken. Nina und ihre Eltern sind also noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen. Trotzdem können sie sich nicht mehr in die Augen sehen, zu groß ist die Scham.

Anonyme Orte wie knuddels.de und Facebook locken Pädophile

Warum Pädophile es im Internet so leicht haben, an ein Opfer zu gelangen, hat viele Gründe. Zum einen sind Chatrooms, wie beispielsweise knuddels.de oder auch Facebook, noch immer anonyme Orte, an denen jeder sich für jemand anderes ausgeben kann. Oder auch man selbst bleiben kann.

Warum aber sollte jemand den Chatroom „Under Twelve“ betreten, wenn er selber schon viel älter ist? Außer vielleicht, er oder sie ist selber noch ein Kind und sucht Gleichaltrige.

Täter haben bei Skype, MSN und ICQ freie Bahn

Oder es handelt sich um jemanden, der auf Kinder steht. Täter finden so ganz leicht das für sie passende Opfer. Haben sie erst einmal bei einem Kind Interesse geweckt, versuchen sie es auf eine andere Plattform umzuleiten, etwa in ein Chatprogramm wie Skype, MSN oder ICQ. Dort greifen auch die eigentlich lächerlichen Sicherheitsprogramme der Chatrooms nicht mehr und die Täter haben freie Bahn.

Einige Täter kennen dann schon kein Halten mehr, schicken Fotos und Videos von sich selbst und ihren Geschlechtsteilen und fordern die Kinder zu sexuellen Handlungen auf. Schlimmer noch sind aber die Pädophilen, die das Kind erst emotional an sich binden, ihm oder ihr (2/3 der Betroffenen sind Mädchen) Freundschaft vorgaukeln und Versprechen abnötigen, um diese Freundschaft nicht zu zerstören. Im extremsten Fall fordern sie das Kind zu einem Treffen auf, von dem die Eltern natürlich nichts erfahren dürfen.

Polizei geht mit virtuellem Mädchen auf Pädophilenjagd

Das Sozialleben von Kindern und Jugendlichen spielt sich heute nicht mehr nur auf dem Schulhof, sondern auch im Internet ab. Es wäre daher sinnlos und unfair, dem eigenen Kind den Zugang zum Internet ganz zu verbieten, meint Pädagoge und Facebook-Programmierer Thomas Pfeiffer.

Kinder müssen sich Eltern anvertrauen 

Sich jeden Abend neben das Kind zu setzen und seine Internetstreifzüge zu kontrollieren, ist aber weder praktikabel für die Eltern noch akzeptabel für die Kinder, die sich hier auch eine eigene elternfreie Zone schaffen wollen. Natürlich merken viele Kinder, wenn ihre neue Bekanntschaft im Chat etwas von ihnen verlangt, was sie nicht geben wollen und sollen. Manche schlagen sogar Alarm. Trotzdem müssen Mädchen und Jungen lernen, auch hier „Nein!“ zu sagen, sich zu wehren und sich ihren Eltern anzuvertrauen, so wie sie es auch bei jemandem machen würden, der sie in sein Auto zerren will.

Wie eine Farce mutet das an, was die Polizei in Tuttlingen versucht hat. Zwei Wochen lang gingen die Beamten in Kinderchatrooms auf Pädophilenjagd und konnten so über 100 Täter aus ganz Deutschland ausfindig machen. Angezeigt wurden aber nur 19. Und dass, obwohl bereits die Absicht, ein Kind sexuell zu belästigen, strafbar ist.

Die Beamten scheiterten an den deutschen Gesetzen, nach denen es sich bei den anzüglichen Forderungen und Handlungen nicht um eine Straftat handelte, weil auf der anderen Seite kein echtes Kind saß, sondern nur Polizisten, die ein solches spielten. Bevor diese Menschen festgenommen werden können, müssen sie offenbar erst eine echte 9-Jährige belästigen.