Gelsenkirchen.

Monsterfratzen, Kürbisköpfe, flatternde Vampire und klappernde Halloween-Skelette waren gestern. Heute aber, da geht es um existenzielle Fragen, heute, an Allerheiligen, geht es um Leben und Tod. Da stellen die Menschen Lichter auf die Gräber ihrer Lieben, um an die Verstorbenen zu erinnern. Wir hörten uns in der Stadt und auf dem Altstadtfriedhof um, wer heute für wen eine Kerze anzündet.

„Für meinen vor zwei Wochen verstorbenen Lebenspartner und seine Eltern“, sagt Jürgen Hambücker (49) aus Duisburg. „Früher haben wir dieses Grab immer gemeinsam gepflegt, heute mache ich das alleine weiter“, sagt er und packt Rosen und Kerzen aus dem Papier. „Allerheiligen ist für mich ein wichtiger, ein besonderer Tag. Er gibt die Gewissheit, dass die Verstorbenen in uns weiterleben, wenn wir uns an sie erinnern. Das ist doch das Einzige, was bleibt.“

Ein wichtiger Tag zum Erinnern

Für ihren vor 20 Jahren verstorbenen Mann zündet Marianne Burkert (77) aus Hüllen heute ein Licht auf dem Grab an. „Ich komme jeden Tag hierher. Das ist, als ob mein Mann mich ruft. Ich vermisse ihn schon sehr.“ Ganz plötzlich sei er verstorben, an einem Herzstillstand mitten in der Nacht: „Das habe ich bis heute nicht verwunden.“

Viele Kerzen wird heute Michael Wemken aufstellen. Der 68-Jährige pflegt die Gräber seiner Eltern, Großeltern und Schwiegereltern: „Allerheiligen ist mir ein wichtiger Tag, um an die Toten zu erinnern. Ich denke an die Menschen, die ich gut gekannt habe und die ein gutes Stück des Weges mit mir gegangen sind.“

Nicht vom Kalender abhängig 

Kerzen für ihre Eltern stellt die Gelsenkirchenerin Veronika Fülla (62) auf das Grab ihrer Eltern. Vater Ewald Oelsner verstarb 2009, Mutter Maria lebt schon seit 21 Jahren nicht mehr: „Außerdem zünde ich auf dem Grab hier eine Kerze für meine in Stuttgart begrabende Schwester auf.“

Für Christiane Wilke ist das Gedenken mehr von der eigenen Stimmung als vom Kalender abhängig: „Ich zünde gerne immer mal wieder eine Kerze auf dem Friedhof an.“ Auf dem Grab ihres Mannes werden sie und ihre Tochter ein Wachslicht anstecken, „und in Gedanken auf dem Grab meiner Mutter“. Auf einem Friedhof in Essen liegt seit dem Frühjahr „eine wunderbare Freundin, die jung gestorben ist. Mit diesem Tod komme ich nicht zurecht. Ja, vielleicht werde ich sie an Allerheiligen besuchen.“

Aktion "Ruhesteine"

Andreas Mäsing, Geschäftsführer der Friedhofsgärtner Gelsenkirchen eG, will heute ganz viele Kerzen anzünden. „An Allerheiligen denke ich in besonderer Weise an Menschen, die mir wegweisend waren.“

„Eine ganz besondere Kerze aber werde ich für die vielen Menschen anzünden, die gestorben sind, ohne dass sie von jemandem vermisst werden oder jemand um sie trauert. In Gelsenkirchen müssen jedes Jahr etwa 10 Prozent aller Verstorbenen vom Ordnungsamt beigesetzt werden, weil niemand da ist. Niemand ist da, der sich um den Verstorbenen und um die Beerdigung kümmert oder kümmern will.

Die beherzte und weithin zeichensetzende Aktion „Ruhesteine“ der evangelischen und katholischen Gemeinden in Gelsenkirchen stellt in Zusammenarbeit mit der Stadt Gelsenkirchen zumindest sicher, dass diese vielen Mitbürgerinnen und Mitbürger ein persönliches Grab mit eigenem Grabstein erhalten und nicht unter einer anonymen Wiese verschwinden.“