Gelsenkirchen. . Beim Tag der offenen Tür strömten viele Besucher in das Gebetshaus an der Kesselstraße, um sich über den Islam zu informieren. Doch das Miteinander, so war zu hören, ist etwas ins Stocken geraten

Der feste Wille ist da, auch das beiderseitige Interesse nach mehr Dialog und interkultureller sowie -religiöser Gemeinschaft, doch oftmals eben nicht in der Breite. Das zumindest ist aus Erfahrungsberichten heraus zu hören, die Besucher wie Gastgeber beim Tag der offenen Moschee des Tugra Kulturzentrums in Bulmke-Hüllen preisgeben.

So etwa wie das Ehepaar Irmtraud und Norbert Preuß aus dem benachbarten Wattenscheid, stark engagiert in der Kolpinggemeinde Ückendorf. Sie sind gekommen, um ein kleines Zeichen zu setzen, „wollen Nachbarn und Freunde sein“, wie sie sagen. Norbert Preuß hat sogar einen kleinen selbst gemachten Aufkleber dabei. Darauf zu sehen sind die schwarz-rot-goldene Nationalflagge der Bundesrepublik, jedoch erweitert um Stern und türkischen Halbmond. Sowie der Zeile: Menschen – Nachbarn – Freunde.

Berührungsängste nach wie vor

Gekommen sind die Preuß’ens, um mehr über den islamischen Glauben zu erfahren, „denn wie auch wir glauben Muslime an einen Gott“. Es gilt also, Parallelen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der monotheistischen Religionen zu entdecken und „den anderen so zu respektieren, wie er ist“. Aber da, so sagt Nobert Preuß, „fängt das Dilemma auch schon an.“ Kaum einer wagt den Blick über den eigenen Tellerrand hinweg. „Ich hatte mal die Idee, über gemeinsame Kochtage erste Kontakte zu knüpfen“, sagt der Wattenscheider, „aber ich bin bei meinen Kolpingbrüdern und -schwestern auf taube Ohren gestoßen.“

Hüben wie drüben ein Zögern

Kritisch blickt allerdings auch Hassan Vural (23), Politikstudent und Dialogbeauftragter des Kulturzentrums an der Kesselstraße 25, auf die eigenen Gemeindemitglieder: „In den vergangenen vier Jahren ist eine Art Sättigung eingetreten, der Dialog abgeebbt.“ Die Ursachen dafür seien vielschichtig. Abgesehen von einer nach wie vor „großen Sprachbarriere (eigene Schuld)“ und der daraus resultierenden „Scham bei den Älteren“ – häufig gleichzeitig Funktionsträger in der Gemeinde –, ist es der oftmals eindimensionale Wissensstand, der Berührungsängste eher schüre statt abbaue. „Die Älteren kennen meist nur türkische Zeitungen und Fernsehen“, sagt Hassan Vural, „während die jüngere Generation sich allen medialen Informationsquellen aufgeschlossen zeigt.“ Und so ein differenzierteres Bild des jeweils Anderen habe.

Hinzu komme, dass abgesehen von den öffentlich rechtlichen TV-Sendern, die ihren Bildungsauftrag gerade in Bezug auf den Islam ernster nähmen, „private Kanäle nicht selten ein Bild von Muslimen zeichnen, dass Schubladendenken eher fördert als dagegen angeht.“ Sprich: Anschlag + Muslime = Terroristen.

Gute Ansätze, begrenzte Mittel

Vurals Kritik richtet sich also an beide Seiten, mehr an der persönlichen Einstellung zu arbeiten, aber auch an die Politik. Die habe die Migration über Jahrzehnte falsch eingeschätzt, denn „aus Gästen sind Bürger geworden“. Sein Wunsch daher: Den Dialog beider Religionen und Kulturen nicht nur auf persönliches Engagement und Kontakte beschränken, sondern ihm einen „größeren institutionellen Rahmen geben“. Etwa wie im städtischen Kulturzentrum Herne, wo Christen, Juden und Muslime in einem steten Austausch stünden. „Es gibt zwar auch hier gute Ansätze“, sagt der 23-jährige Student, „wie etwa die gemeinsame Schuleinführungsfeier für Kinder in Kirche und Moschee oder den St. Martinstag, bei dem auch viele Muslime mitmachen, aber letztlich sind die Mittel sehr begrenzt. Kleine Schritte eben.“

Mit der Integration verhält es sich wohl so wie mit einem Marathon: Aufgeben ist keine Alternative.