Gelsenkirchen. Bislang konnte Ercan Gönan den Ramadan, den heiligen Fastenmonat der Muslime, mit dem Alltag gut in Einklang bringen.

Doch die Stunden des Verzichts sind in diesem Jahr besonders lang und der Beginn der Fastenzeit an diesem Montag fiel genau auf den Beginn seines Praktikums in den Evangelischen Kliniken. Abends dann um 21.29 Uhr war die Freude bei dem 19-Jährigen entsprechend groß: Der Türkisch-Deutsche Hilfsverein am Meraner Weg hatte zum Iftaressen, dem gemeinsamen Fastenbrechen, eingeladen – der Hunger hatte ein Ende. Auch Oberbürgermeister Frank Baranowski und Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt waren der Einladung gefolgt.

„Jetzt ist es zum ersten Mal so, dass ich während des Fastens körperlich stark gefordert bin“, sagt Ercan Gönan. Der Fastenmonat rückt jedes Jahr um zehn Tage vor, durchläuft also alle Jahreszeiten. Für den jungen Muslimen, der seit dem dritten Grundschuljahr fastet, ist das eine echte Probe. „Damals habe ich gegen den Willen meiner Eltern mit dem Fasten angefangen“, sagt der Abiturient, der ab Oktober studieren wird.

Fasten-Trend ist rückläufig

Neben dem religiösen Aspekt steht für ihn die Erfahrung des Verzichts im Mittelpunkt: „Man versteht, wie es ist, wenn man nichts zu essen hat und bekommt ein Gefühl für die Menschen, die zur Zeit in Afrika hungern.“ Im Ramadan sind Muslime zu besonderer Freigebigkeit angehalten – der Türkisch-Deutsche Hilfsverein sammelt beispielsweise Spenden für die Opfer der Hungersnot.

Insgesamt ist der Trend des Fastens aber rückläufig. „Wegen der langen Tage verzichten viele Gläubige auf das Fasten“, so Hülya Güze-Palta vom Türkisch-Deutschen Hilfsverein. Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang darf nicht getrunken und nicht gegessen werden, sexuelle Enthaltsamkeit und nicht Rauchen gehören auch dazu.

Großer Unterschied von Sommer zu Winter

„Im Vergleich zwischen Sommer und Winter macht die tägliche Fastenzeit fünf Stunden Unterschied aus“, so die Rechtsanwältin, die in ihrem Beruf das Fasten ebenfalls nicht umsetzen kann. Vor allem bei Schülern habe sie den Verzicht auf das Verzichten beobachtet.

Die, die mitmachen, stellen sich rechtzeitig auf das Fasten ein. „Ich habe schon im Vorfeld das Essen am Tag reduziert, so ist der Übergang einfacher“, sagt Abdullah Kizil. Ramadan sei nicht nur religiös, sondern auch ein soziales Fest. „Wir laden Freunde und Verwandte ein oder sind selbst zum Abendessen zu Besuch.“ Am heutigen Mittwoch feiert Kizil seinen 19. Geburtstag. Nach Sonnenuntergang wird dann gemeinsam an einer üppig gedeckten Tafel gefeiert.

Frank Baranowski gratulierte den Mitgliedern des Hilfsvereins, der bedürftige Familien in der Türkei unterstützt, aber auch hiesige Beratungsangebote hat, stellvertretend für alle Muslime in Gelsenkirchen zum Ramadan. Ebenfalls am Tisch waren der Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt, der Integrationsbeauftragte der Stadt, Mehmet Ayas, und Vertreter des Moscheeverein-Dachverbandes „Ditib“.

Weltlich orientierter Verein bevorzugt

Eine Moschee besucht Baranowski zum Iftar allerdings bewusst nicht, um sich nicht vereinnahmen zu lassen und keinen Verein besser oder schlechter zu stellen. „Es gibt zu viele verschieden Glaubensrichtungen und Strömungen.“ Vor zwei Jahren hatte der OB selbst die Moscheevereine zum Iftaressen eingeladen und damit für Diskussionen gesorgt.

Die Stadt Gelsenkirchen als Gastgeber einer religiösen Feier stand in der Kritik und es gab Streit um die Wahl der Vorbeter und den Veranstaltungsort. Nun bevorzugt das Stadtoberhaupt den Besuch eines weltlich orientierten Vereins. Der Ramadan gilt nämlich auch als Monat der Versöhnung.