Gelsenkirchen. Carola Cording kocht seit zwei Jahren ehrenamtlich für die Tafel Marmelade. Der 74-Jährigen ist die Hilfe eine besondere Herzensangelegenheit. Dass ihr Arbeitstag deshalb manchmal bis 23 Uhr dauert macht ihr nichts aus.

Nicht jeder Mensch hat die Chance auf ein zweites Leben, etwa nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung. Und nicht alle, die die Chance bekommen, nutzen sie auch. Ganz anders Carola Cording (74). Die rüstige Rentnerin hilft gerne wo sie kann. „Gutes darf man nicht vergessen“, sagt die Frau, die selbst weiß, was es heißt, auf Hilfe angewiesen zu sein, nachdem sie eine schwere Krankheit besiegte.

Deshalb kocht sie seit zwei Jahren für die Tafel in Gelsenkirchen Marmelade aus gespendetem Obst. „Obst, das am Ende übrigbleibt , wird bei mir zu Marmelade verarbeitet.“ Mit drei Töpfen gleichzeitig fängt sie Mittags an, Obst zu kochen. Alles in Eigenregie. Kirschen oder Erdbeeren sortiert sie vorher selbst, um zu machen, was ihr am liebsten ist: anderen Menschen helfen. Selbst ihren Mann spannt sie bis spät abends für das Ehrenamt ein. „Ich koche immer frisch und könnte nicht schlafen, wenn ich wüsste, dass Obst vergammelt.“

Etwa 400 Kinder werden beliefert

So schafft es Carola Cording, bis zu 100 Gläser Marmelade an jedem Tag herzustellen. „Wir sind ihr sehr dankbar und froh, dass wir sie haben“, sagt die erste Vorsitzende der Gelsenkirchener Tafel e.V., Sigrid Weiser.

In Gelsenkirchen hilft der 1998 gegründete Verein etwa 3500 Hilfsbedürftigen Menschen. An insgesamt fünf Ausgabestellen werden die Lebensmittel an die Kunden weitergegeben. Jeder bekommt eine feste Zeit für die Ausgabe. Die Warenmenge und die Kundenzahl ist genau aufeinander abgestimmt, damit jeder dieselbe Menge erhält. Außerdem muss ein Nachweis über die Bedürftigkeit erbracht werden. Die Ware wird kostenlos herausgegeben, jedoch spendet jeder einen Betrag von zwei Euro für den Ausgleich der Kosten der Tafel. Geholfen wird auch an Schulen, wo etwa 400 Kinder täglich mit Pausenbroten versorgt werden.

Positiver Stress

Durch einen Fernsehbeitrag wurde Carola Cording auf die Tafel in Gelsenkirchen aufmerksam und wusste sofort, dass sie dort helfen möchte. Ihr Tag ist dadurch sehr lang geworden, geht teilweise bis 23 Uhr. „Aber es ist ein schönes Müdesein, wenn der Tag nicht umsonst war.“ Carola hatte schon immer einen Hang zum Sozialen. „Ich bin so aufgewachsen.“ Da ist es kein Wunder, dass sie nach ihrer Silberhochzeit noch ein Examen als Krankenpflegergehilfin gemacht hat. Jetzt ist sie durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit voll ausgelastet. „Positiver Stress“, wie sie sagt. Geboren ist sie in Gelsenkirchen und wurde samt ihrer Familie während des Krieges nach Bayern evakuiert. Da war sie vier Jahre alt. Als sie 16 war, ging es zurück nach Gelsenkirchen. „Ich wäre auch wieder nach Bayern gezogen, aber dann kam mein Mann dazwischen“, lacht die 74 Jährige.

Im Notfall hilft der Mann mit

Heute kocht sie beinahe jeden Tag für die Tafel. „Je nachdem, was an Obst abfällt, verkoche ich es zu Marmelade.“ Ihr Alter sieht man ihr kaum an, aber es macht sich bemerkbar. „Wenn ich zu tun habe, denke ich nicht über die Rückenschmerzen nach“, sagt sie.

Ihre Arbeit beginnt immer um die Mittagszeit, wenn die Ausgabe der Tafel beendet ist. Dann schlägt sie gnadenlos zu und nimmt alles Obst mit, was noch zu gebrauchen ist. Das Entkernen von Kirschen stellt die Rentnerin ebenso wenig vor Probleme wie das arbeiten bis spät abends. „Zur Not hilft mein Mann mit und was ich nicht schaffe, schafft der Entsafter“, sagt sie selbstbewusst.

Aus einem Kilo Kirschen stellt Carola Cording etwa dreieinhalb Gläser Marmelade her. Alles was dazugehört, vom Spülen der Gläser bis zum Wiederauffüllen macht die Rentnerin selbst.

Kraft dank Kindern und Enkeln

Ihre Kraft schöpft sie aus ihren Kindern, Enkel- und Urenkelkindern. „Das gibt Energie.“

Schön zu sehen, dass es Menschen gibt, die ihre zweite Chance zum Gemeinwohl nutzen.

Wer, wann, wo und wieviel

Etwa 3500 Kunden kommen regelmäßig zu den Ausgabestellen in Gelsenkirchen und Buer.

120 ehrenamtliche Helfer arbeiten bei dem Gelsenkirchener Tafel e.V. (Stand 08/2007)

Die Warenausgabe findet immer von 11 bis 12 Uhr statt.

Die sortierten Waren werden in „kontrollierter“ Selbstbedienung ausgegeben, d.h. jeder Kunde kann die Waren aus dem vorhandenen Sortiment bekommen, die er wünscht. Es wird darauf geachtet, dass vor Ende der Öffnungszeiten und zu Beginn Familien die gleiche Menge Waren bekommen können.