Gelsenkirchen. Johanna und Felix sind jung, verliebt und wünschen sich ein Baby. Das Elternpraktikum „Daddy cool und Mama easy“ hilft ihnen, mit Baby-Simulator den Alltag mit Kind nachzuempfinden.
Matthias schlummert selig im Kinderwagen. Frisch gewickelt und rosig-satt. Ein süßes Baby mit weißem Mützchen auf dem zarten Kahlkopf. Die jungen Eltern (Namen geändert) Johanna (24) und Felix (19) haben Zeit, über den ersten häuslichen Tag und die erste Nacht mit ihrem Kind zu berichten.
„Gestern Abend hat das Baby geschrien. Da ist Johanna mit ihm spazieren gegangen“, erzählt Felix. Als der Kleine später am Abend schlief, hat der junge Vater sogar ein leises Schnarchen aus dem Mündchen des so lebensecht aussehenden Hightech-Säuglings vernommen ...
„Daddy cool und Mama easy“
Johanna und ihr Freund Felix erlebten am Dienstag eine vergleichsweise leichte Geburt mit „Hebamme“ Susanne van Suntum. Die Sozialarbeiterin des Mädchenzentrums betreut das junge Elternpaar auf Probe noch bis einschließlich Freitag. Warum? Nun, Johanna, die hörgeschädigt ist und ein Cochlea-Implantat trägt (eine Prothese für Gehörlose, deren Hörnerv noch funktioniert), wünscht sich ein Kind. Seit einem Monat ist sie mit Felix zusammen, der in einer betreuten Wohngruppe lebt.
Beide wollten ausprobieren, wie es sich anfühlt, ein Kind zu haben. Und haben sich für das Elternpraktikum „Daddy cool und Mama easy“ entschieden, ein Ferienangebot der Kooperationsgemeinschaft Jugendzentrum „The Point“, Mädchenzentrum und der Abteilung Familienförderung des Referats Erziehung und Bildung. Von Susanne van Suntum haben sie zum Auftakt die Hightech-Puppe bekommen, die an Po, Rücken und Bauch mit Sensoren ausgestattet ist.
Den entsprechenden Gegenpart tragen die jungen Eltern am Handgelenk. Wenn das Baby schreit, müssen sie sich per Sensor zunächst zu erkennen geben. „Tüdelüt“ macht’s – und dann stehen die als Mutter oder Vater identifizierten jungen Leute vor dem Problem aller echten Eltern: Hunger, Windel voll, Bauchweh – oder sucht noch ein „Bäuerchen“ den Weg nach draußen?
Hausaufgaben für Eltern auf Probe
Zweimal sei das in der ersten Nacht passiert, erzählt Johanna. Um 2.30 und um 5.30 Uhr. Gisela Hainer assistiert beim Gespräch mit Susanne van Suntum. Sie betreut die junge Frau ambulant, beherrscht die Gebärdensprache. Und so erfährt die „Hebamme“, dass Felix gar nicht reagiert hat, als er an der Reihe gewesen wäre. „Er hat geschnarcht!“
Sozialarbeiterin und Sexualpädagogin van Suntum kann mit einem Steuerungsgerät genau nachhalten, ob sich junge Mütter und Väter um den Säugling – er ist geschätzte drei Monate alt – kümmern, ob sie ihn vernachlässigen, ob sich das Baby wohl fühlt. Am zweiten Tag des Elternpraktikums bekommt das Paar Hausaufgaben auf: Mit dem Kind einkaufen gehen, Preise für Babynahrung und Windeln vergleichen, für den Notfall vorsorgen und Kinderarzt beziehungsweise die Adresse der Kinderklinik herausfinden. Die Pädagogin erklärt, was passiert, wenn Eltern selbst krank sind und sich nicht ums Kind kümmern können.
Jede Menge Input haben die beiden erhalten – da schreit Matthias. Da es wenig Außengeräusche gibt, hört es auch Johanna sofort, holt das Baby, drückt es vorsichtig an sich. Ja, sie will bis Freitag weiter machen. Und ja, sie wünscht sich nach wie vor ein eigenes Kind.