Gelsenkirchen.

Die neunten Sinfonien der großen Klassik-Komponisten umweht der mystische Hauch des Abschieds. Des Abschieds vom Leben. Die Neunte war Beethovens letzte Sinfonie ebenso wie die von Mahler und Bruckner. Eines dieser großen musikalischen Vermächtnisse erklang nun im Musiktheater im Revier, als gewaltiger, laut tönender und triumphaler Abschied von der Saison 2011/2012.

Gigantisch das unvollendete Werk, immens die Besetzung auf der Bühne: ein blechbläserstarkes Orchester, vier Chöre mit über 170 bestens eingestimmten Sängerinnen und Sängern und vier Solisten. Mehr Mensch geht kaum, mehr Musik auch nicht. Bruckners Testament ist ein volltönendes, klassisch-romantisches Klanggewitter, in der Interpretation der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Generalmusikdirektor Heiko Mathias Förster nichts für sensible Hörgänge und Akustik-Asketen.

Bruckner wollte für seine Sinfonie Nr. 9 d-Moll noch einmal alle musikalischen Ideen in die Waagschale werfen, seinen ganzen Klangkosmos zu einer tönenden Kathedrale auftürmen. Keinem Geringeren als dem lieben Gott widmete er sein Werk, den vierten Satz aber konnte er nicht mehr vollenden, weil Gevatter Tod auf den Plan trat. Bruckner selbst soll vorgeschlagen haben, statt eines 4. Satzes, der lediglich als Fragment vorliegt, sein bombastisches Chorwerk „Te Deum“ zu spielen. Eine Aufführungspraxis, die der GMD favorisierte.

Flirrende Streicherklänge

Ätherisch schwebend begann die Sinfonie mit flirrenden Streicherklängen, bis sich der Tutti-Sound gewaltig Bahn brach. Förster traf den richtigen Ton, baute mit seinem Orchester einen effektvollen, dynamischen Spannungsbogen auf, den er bis zum Schluss halten konnte. Nur in wenigen Sequenzen litt die Transparenz unter der eruptiven Kraft der Bläser. Ruhig verklang der dritte Satz, bevor sich beim „Te Deum“ noch einmal exstatische Klangmassen Bahn brachen.

Kraftvoll und markant intoniert

Der Städtische Musikverein Gelsenkirchen, der Städtische Chor Recklinghausen, der Oratorienchor der Stadt Kamen und der Chor der Konzertgesellschaft Schwerte sowie das hervorragende solistische Vokalquartett aus Majken Bjerno (Sopran), Raphael Pauß (Tenor), Anna Agathonos (Alt) und Jacek Janiszewski (Bass) intonierten kraftvoll und markant die fünf anspruchsvollen Sätze in C-Dur. Für die hochkonzentrierten Ausflug in den Klangkosmos von Bruckner gab es viel Beifall und Bravos.

Es war übrigens die Neue Philharmonie Westfalen unter ihrem damaligen Leiter Johannes Wildner, die im Jahre 1998 Bruckners Neunte auf CD eingespielt hat – mit dem von Wissenschaftlern rekonstruierten 4. Satz. Wildner, wie Förster ein versierter Bruckner-Dirigent, nannte diese bei Sonarte produzierte Scheibe damals „eine Weltsensation“.