Gelsenkirchen. 49-jähriger Rechtsanwalt veruntreute in 32 Fällen Mandantengelder. Seine angeschlagene Psyche beschäftigte das Gericht auch am letzten Verhandlungstag – doch ein Arzt bescheinigte die Verhandlungsfähigkeit.

Wegen Betrugs und Untreue verurteilte das Amtsgericht Buer Rechtsanwalt N. zu 2 Jahren und neun Monaten Haft. Angeklagt waren 39 Fälle zwischen 2007 und 2012 , von denen schließlich 32 für eine Verurteilung blieben. Der Prozess, der öfter unterbrochen worden ist, hatte sich zu einem juristischen Geduldsspiel entwickelt.

Auch beim letzten Verhandlungstag drohte eine Terminverschiebung. Der Angeklagte befindet sich wegen einer Depression und akuter Suizidgefährdung in einer Klinik. Schließlich bescheinigte der behandelnde Arzt die Verhandlungsfähigkeit des 49-Jährigen. Der hatte zuvor auf ein Urteil am selben Tag gepocht, wollte bei der Verkündung aber wegen zu starker psychischer Belastung nicht anwesend sein. Letztlich wurde ohne ihn verhandelt.

Wahrscheinlich hat N. mit der Höhe des Strafmaßes gerechnet. Zuvor hatte bereits ein Gutachter den Rechtsanwalt für voll schuldfähig gehalten. Dem Urteil des Fach-Mediziners folgte auch das Gericht. Der 49-Jährige hatte Gelder, die Versicherungen nach Verkehrsunfällen an seine Mandanten zahlten, auf seinem Privatkonto „geparkt“ und nicht weiter geleitet. In den meisten Fällen warteten Arbeitslose und Ältere auf ihre Gelder.

Keine Gründe für Milde

Mitunter vergingen zwei Jahre, bis N. nach Vorschussleistungen seiner Mandanten für Gerichtsgebühren schließlich auch Klage erhob. Immer wieder hatte er die Betroffenen vertröstet oder Zahlungseingänge sogar geleugnet. Bei einer Nachlassermittlung hatte N. einen Betrag von 50.000 Euro errechnet. Nach Überprüfung durch einen Kollegen stellte sich heraus, dass den Erben aber 90.000 zufließen würden.

In einem anderen Fall wartete eine 82-Jährige nach einem Unfall monatelang auf 12.000 Euro Schmerzensgeld, die eine Versicherung längst an den Rechtsanwalt überwiesen hatte. Die ausstehenden Gelder – teils mit zehn Prozent Verzinsung - hat der 49-Jährige mittlerweile an seine Mandanten überwiesen. Viele Zahlungen erfolgten allerdings erst im Laufe des Prozesses.

Gründe für Milde sah das Gericht nicht. Eine Bewährungsstrafe hielt der Vorsitzende Helmut Rottlaender für nicht gerechtfertigt. Einen Rat gab er Berufskollegen mit auf den Weg: Wer für Mandantengelder ein Anderkonto einrichtet, der landet auch nicht vor dem Strafrichter. Auf N., der gegen das Urteil Berufung einlegen will, wartet jetzt noch die interne Gerichtsbarkeit der Anwaltskammer.