Gelsenkirchen/Essen.

Wäre er psychisch gesund, dann wäre Markus K. für den zweifachen versuchten Polizistenmord zu einer Gefängnisstrafe „im sehr hohen Bereich“ verurteilt worden, betont der Essener Schwurgerichtsvorsitzende Andreas Labentz. Zwölf, dreizehn Jahre wären es wohl gewesen. Eine Zeit, die abzuschätzen ist. Doch der 21-Jährige ist krank, psychisch krank. Und wann er wieder die Freiheit sieht, das weiß heute kein Mensch.

Für eine nicht absehbare Zeit weist das Gericht den Auszubildenden, der in der Nacht zum 9. August zwei Polizisten in Bulmke-Hüllen mit dem Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt hatte, in die geschlossene Psychiatrie ein. Als gefährlich gilt der junge Mann weiterhin. Richter Labentz: „Wenn Sie nicht behandelt werden, rutschen Sie ganz schnell wieder in diese Situation hinein.“

Rechtsanwalt Florian Hupperts, der die 31 Jahre alte Polizistin in der Nebenklage vertrat, wies auf das Dilemma hin. Markus K. werde nicht bestraft, seine Mandantin aber werde vielleicht ein Leben lang unter den Folgen der Attacke leiden müssen. Hupperts: „Das ist ein Stück weit unbefriedigend, aber unsere Rechtsordnung sieht es so vor.“ Ebenso wie Anwältin Jessica Grothe, die den 46 Jahre alten Polizisten vertrat, sah aber auch er den Beschuldigten als schuldunfähig an und beantragte dessen Einweisung in die Psychiatrie.

Angeklagter ist Schuldunfähig

Richter Labentz hatte im Urteil das Wort zunächst an die Polizisten gerichtet und dann die psychische Erkrankung von Markus K. angesprochen. Mit zahlreichen Belegen betonte er, dass das Gericht den 21-Jährigen keineswegs als Simulanten einstufe. Labentz: „Wir haben keinen Zweifel an der Diagnose.“ Er nannte auch den politischen Hintergrund von Markus K., der früher der NPD angehörte, und von einem Hass auf Ausländer, Politiker und Polizei sprach.

Labentz: „Es ist nicht so, dass rechtsradikale Gedanken zu einem terroristischen Anschlag führten. Sein Wahn führte zur Tat, hinzu kamen seine rechtsradikalen Gedanken.“ Vom Staat bedroht gefühlt hatte Markus K. sich. Fürchtete, dass dieser ihn töten wollte. Überall sah er Hinweise, dass „das System“ ihn überwache und letztlich verschwinden lassen wolle. Der Angriff auf die Polizisten sollte dazu dienen, von diesen erschossen zu werden. Denn bevor der Staat ihn tötet, wollte Markus K. nicht kampflos aufgeben.

Weil der 21-Jährige schuldunfähig ist, erübrigen sich viele juristischen Erwägungen zum Fall. Richter Labentz machte dennoch Ausführungen dazu. Nicht nur Heimtücke, das Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit seiner Opfer, wäre einem gesunden Angeklagten angelastet worden. Die Kammer hätte dann auch sicherlich das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ gesehen, führte Labentz weiter aus: „Denn es sind niedrige Beweggründe, wenn Sie diese Opfer zu Objekten ihrer Vorstellung machen.“

Markus K., der im Prozess mehrfach unglücklich formulierte persönliche Erklärungen abgegeben hatte, verzichtet diesmal darauf. Auf ein letztes Wort verzichtete er.