Gelsenkirchen. Rühren, flechten, formen, backen: Auszubildende der Oberstufe des Berufskollegs an der Königstraße traten zum Flecht-Wettbewerb an. Auch wenn der Beruf technischer geworden ist – Handwerkliches Können ist im Bereich der Bäcker-Innung Gelsenkirchen-Bottrop immer noch die Basis der Ausbildung.
Es geht um die Ehre, ums Handwerk, um die Konkurrenz. Es geht ums Geld: Immerhin 100 Euro kann allein der Erstplatzierte einstreichen. Nicht schlecht für einen Bäcker-Berufsschultag. Zehn Auszubildende der Oberstufe sind gegeneinander angetreten, haben früh Teig angesetzt, gerührt, geflochten gebacken. Jetzt warten sie auf die Jury.
Schon auf dem Flur im Berufskolleg an der Königstraße riecht es verführerisch nach frischen Backwaren. Auf den Arbeitstischen liegen Hefe-Zopf-Kreationen, goldbraune Blumen-Arrangements, zum Abglänzen mit Ei bepinselte, knackige Schmetterlinge, knusprige Brotkörbchen – und Patrick Scheer sucht noch nach ein wenig Dekostoff. Auf farbigem Tuch oder in grüne Kunstnester haben andere ihre Back-Werke gebettet. „Da brauch’ ich auch noch ein bisschen Chichi“, ist sich der Auszubildende sicher und macht sich auf die Suche nach passendem Material. Das Thema Frühling wurde für den Wettbewerb vorgegeben. Das verlangt nach Farbe.
Das Thema Frühling bestimmt die Formen
Der Schulraum im Erdgeschoss kann mit jeder größeren Backstube mithalten: Edelstahl-Öfen, Gärschränke, Kneter und Backwagen werden um die Mittagszeit schon wieder gereinigt. Mittendrin: Loni Essmajor, gelerne Bäckerin und Konditorin, Oberstudienrätin und Lehrerin der Bäckerklasse. „Bis 12 Uhr haben die Auszubildenden noch Zeit, ihre Arbeiten herzurichten“, sagt sie. Mehrstrangzöpfe aus Hefeteig und, wie es fachmännisch heißt, die „Herstellung eines Brotgebildes“ aus „totem Teig“gehören zu den Aufgaben des Wettbewerbs der Bäckerinnung Gelsenkirchen und Bottrop. Eine üppige Brotblüte hat Richard Löffler geformt und gebacken, ein Brotzweig rankt aus dem Teigkörbchen von Sven Preistrup, gleich vier, fünf, sechs Stränge Teig hat Stephanie Kortmann in ihrem kunstvollen Backwerk vereint. Bei Malzer’s lernt die 27 Jährige nach einem Chemiestudium. „Einmal die Woche“ stehen dort für Auszubildende „nur Handarbeiten“ auf dem Lehrplan. „Sonst könnten wir das nicht.“
„Wir arbeiten hier ohne Backmittel“
Ein wenig auf die Ausnahmesituation der Abschlussprüfung in wenigen Wochen soll der Vergleich einstimmen – und handwerkliches Können fordern. Darauf legt Essmajor wert. Wie auf die Zutaten: „Wir arbeiten ohne Backmittel. Ich achte auf Qualität und darauf, dass alles auf konventionelle Art hergestellt wird. Das sollten die Auszubilden beherrschen.“
Der Bäckerberuf hat sich gewandelt. Die Anforderungen sind mit der Technisierung der Branche gestiegen. „Es ist mittlerweile viel Fachwissen gefragt“, sagt Essmajor.
Die Technisierung hat zugenommen
Verloren hat der Beruf dagegen offenbar an Attraktivität für Bewerber. Gerade noch eine Oberstufen-Berufsschulklasse wird an der Königstraße unterrichtet. Die Azubi-Nachfrage ist schon länger rückläufig, Frauen waren immer schon eine Minderheit in der Bäckerwelt. Auch beim Wettbewerb treten lediglich drei an, „in der Unterstufe haben wir derzeit gar keine Frau“, sagt Essmajor. Immerhin: Wer seine Ausbildung abschließt, hat gute Jobchancen. „Die Betriebe suchen“, weiß Scheer und legt letzte Hand an seinen Hefezopf. Auch im Betrieb arbeitet er oft handwerklich. „Im dritten Lehrjahr, findet er, „sollte man das können“.