Gelsenkirchen.
Es ist ein Tabuthema. Fast wie der Tod selbst: Altern und Altenpflege. „Viele verbinden mit Alten- und Pflegeheimen immer noch den sterilen Bettenbunker.“ Dabei, sagt Caritas-Einrichtungsleiter Markus Pudel, seien Themen wie Wohnen, Freizeit, Teilhabe, Freude im letzten Lebensabschnitt weniger bekannt.
Der stellvertretende Regionalleiter der FAA Bildungsgesellschaft, Dieter Balke-Müller, bringt es so auf den Punkt: „Alten- und Pflegeeinrichtungen haben immer noch das Image des Siechhauses.“ Vielleicht auch, weil tendenziell fast nur noch pflegebedürftige Senioren ins Heim kämen. Denn: Ambulant gehe vor stationär.
Umso besser kennen examinierte Altenpfleger den Alltag. Auch ihr Berufsbild leidet unter Vorbehalten. Bis zu Konkurrenzdenken zwischen Alten- und Krankenpflege führe das, berichtet Ingrid Wüllscheidt. Als ehemalige Leiterin des Fachseminars Altenpflege weiß sie, wovon sie spricht. „Krankenpflege hat den Anspruch, mehr medizinisches Wissen zu haben. Dabei wird nicht erkannt, welchen hohen Wert die psychosoziale Betreuung hat.“
Die Drei sitzen neben Mirko Hodacki, dem Bereichsleiter für Altenpflege am Kirchlichen Bildungszentrum für Gesundheitsberufe (KBG) im Revier, in der Arbeitsgemeinschaft Pflege-Lobby, einer Untergruppe der Altenhilfe innerhalb der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft.
Beruf stellt hochkomplexe Anforderungen
„Wir haben in der Altenpflege viele, die genau wissen, dass sie es in ihrem Beruf mit Menschen am Lebensabend zu tun haben und sich ganz bewusst dafür entschieden haben, ihnen diese Zeit so schön wie möglich zu gestalten.“ Hodacki kennt die jungen Frauen und Männer aus seiner täglichen Arbeit im KBG mit Sitz in Ückendorf. Und er stellt fest: „Der Beruf Altenpflege stellt heute hochkomplexe Anforderungen.“
50 Prozent der Arbeitszeit verbringe eine Fachkraft mit Dokumentation, 30 Prozent mit Pflege, 20 Prozent mit nicht pflegerischen Tätigkeiten. „Altenpflege ist keinesfalls fixiert auf die Arbeit am Bett.“ Dass die Arbeit von Außenstehenden nicht in der Form wahrgenommen werde, wie es ihr gebühre, das machen die Pflege-Lobbyisten auch daran fest: „In den 1980-er Jahren war es gang und gäbe, arbeitslose Jugendliche erst mal in die Altenpflege zu stecken.“ Der hohe Anspruch blieb dabei auf der Strecke. Bis heute, so die Experten, sei die Altenpflege in der Hierarchie der Pflegeberufe das Schlusslicht.
Was sich offiziell spätestens ab 2016 ändern dürfte. Ab dann wird es nämlich nur noch die Berufsbezeichnung Pflegefachkraft für das breite Berufsspektrum geben.
Eine dreijährige, duale Berufsausbildung führt zur examinierten Altenpflege. Einheitliche Tarife gibt es nach Informationen der AG Pflege-Lobby nicht. Im ersten Ausbildungsjahr liege der Verdienst zwischen 700 und 800 Euro. Auch als ausgebildete Fachkraft ist das Gehalt abhängig vom Träger. Heißt: Zwischen 1700 und 2100 Euro können am Monatsende auf der Abrechnung stehen.
Vorteil für Frauen: Flexible Arbeitszeitmodelle
Grundsätzlich, da sind sich die Fachleute einig, könne man davon kaum eine Familie ernähren. Allerdings gebe es, so Ingrid Wüllscheidt, viele Vorteile. „Die flexiblen Arbeitszeitmodelle beispielsweise sind positiv, gerade auch für Frauen.“ In einem immer noch von Frauen dominierten Beruf. Etwa 70 Prozent weibliche Fachkräfte sind als Altenpflegerinnen beschäftigt. In diesem Zusammenhang bedauert Mirko Hodacki den Wegfall des Zivildienstes. „Viele junge Männer haben während dieser Zeit Spaß am Beruf gefunden“, berichtet er.
Als Altenpfleger sei man nie arbeitslos. „Die Altenheime haben einen Riesenbedarf. Der Beruf ist ein echtes As im Ärmel.“ Auch darin sind sich die vier Pflege-Experten einig. Und wenn sie Alten- und Krankenpflegeberuf miteinander vergleichen, sieht die AG Pflege-Lobby die Fachkräfte für alte Menschen mit Verweis auf Experten-Standards und andere Handlungsfelder klar vorn.
Für die Qualitätsansprüche in der Altenpflege mag auch sprechen, dass es inzwischen einen Bachelor-Studiengang und grundsätzlich eine Reihe von Karrieremöglichkeiten in diesem Zweig gibt.
Bachelor-Studiengang Pflege öffnet neue Wege
Das von Christel Buchholz-Mielke geleitete Kirchliche Bildungszentrum für Gesundheitsberufe im Revier hat 425 Ausbildungsplätze in den Berufszweigen Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkranken-pflege sowie Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz. 20 Lehrer unterrichten hier. „Wer bei uns eine Ausbildung macht, hat die Option, den Bachelor-Studiengang Pflege zu besuchen“, sagt die Schulleiterin. Das KBG in Ückendorf ist einer von 18 Schulstandorten in NRW, der das in Kooperation mit der Katholischen Hochschule (Katho) Köln anbietet.