Essen/Gelsenkirchen. . Mit 16 Stichen soll Markus K. (21) zwei Gelsenkirchener Polizisten im August 2011 fast tödlich verletzt haben. Zum Prozessauftakt vor dem Essener Landgericht gibt er an, er habe durch die Polizisten, die ihn erschießen sollten, Selbstmord begehen wollen. Zu seinen Plänen gehörte wohl auch ein Amoklauf im Landtag.

Hass auf Polizisten und Ausländer, Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben und immer stärkere Selbstmordgedanken: So beschreibt der Gelsenkirchener Markus K. (21) seine Gefühlswelt. Vorgeworfen wird ihm vor dem Essener Schwurgericht, dass er zwei Polizisten im August 2011 nachts in einen Hinterhalt lockte, um sie umzubringen.

Auf versuchten Mord in zwei Fällen lautet die Antragsschrift von Staatsanwalt Marcus Schütz, mit der er die Unterbringung des Auszubildenden in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus anstrebt. Denn er geht von der Schuldunfähigkeit des 21-Jährigen aus, der seit Jahren an einer Psychose mit starken Wahnvorstellungen leidet und weiterhin als gefährlich gilt.

Wunsch nach Selbstmord durch Polizisten

Es waren dramatische Minuten, die am 9. August vergangenen Jahres das Leben dreier Menschen radikal veränderten. Markus K., so erzählte er später den psychiatrischen Gutachtern Maren Losch und Sven Kutscher, wollte durch Polizisten, die ihn erschießen sollten, Selbstmord begehen. „Suicide by cop“, „Selbstmord durch Polizisten“, heißt das in den USA.

Dafür rief er gegen Mitternacht die Gelsenkirchener Einsatzleitstelle der Polizei an, meldete einen Verkehrsunfall auf einem Parkplatz im Stadtteil Bulmke-Hüllen. Um 0.36 Uhr trafen dort eine 30 Jahre alte Polizistin und ihr 45-jähriger Kollege ein. Sie hatten keine Chance. Im Schutz der Dunkelheit griff Markus K. sie mit einem 16 Zentimeter langen Messer an, das er erst sechs Stunden zuvor in einem Waffengeschäft der Essener City gekauft hatte. Bewaffnet ist er mit einem weiteren Messer und mit einer Gaspistole im Hosenbund. Siebenmal sticht er auf die junge Polizistin ein, verletzt sie am Rückenmark. Sie sinkt zu Boden. Sofort geht er an die andere Seite zu ihrem Kollegen, sticht neunmal auf ihn ein, trifft die Lunge. Dreimal schießt der Beamte, setzt den Angreifer außer Gefecht. Schwer verletzt überleben die Polizisten nur dank notärztlicher Hilfe.

Polizisten als Nebenkläger im Prozess

Im Gerichtssaal treffen sie wieder aufeinander. Die beiden Polizisten, die noch krankgeschrieben sein sollen, nehmen als Nebenkläger am Prozess teil. Als Staatsanwalt Schütz noch einmal das Tatgeschehen wiedergibt und die Angriffe mit dem Messer schildert, schließen beide die Augen. Mehrfach trocknet die Beamtin mit einem Papiertaschentuch ihre Augen.

Später erleben sie ihren Angreifer als einen jungen Mann, der mit fester, klarer Stimme spricht. Ein nach außen normal wirkendes Leben hat er geführt, aber doch eines in einer eigenen Welt. Das Scheitern in der zwölften Klasse des Gymnasiums, das Abkapseln in der Familie – all das mag vorkommen. Aber dann gibt es die stärker werdende Angst, weil er im Beruf und in der Schule immer wieder Fehler macht. Aus Vergesslichkeit, wie er meint: „Ich dachte, das sind charakterliche Mängel, die ich in meinem Leben nicht mehr ändern kann.“

Amok-Pläne für den Düsseldorfer Landtag

Er sucht Zuflucht. Einmal im Alkohol und im intensiven Cannabis-Konsum. Aber auch in der NPD, bei der er als aktives Mitglied ein Jahr lang an Info-Ständen steht und an Demonstrationen teilnimmt. Kontakt bekommt er ab Anfang 2011 auch zur Schweizer Sterbehilfeorganisation „Dignitas“, lernt dort verschiedene Möglichkeiten des Selbstmordes und eine gleichgesinnte junge Frau kennen. Im Sommer, kurz vor dem Angriff auf die Polizei, fliegt er mit der Frau für zwei Tage nach Mallorca: „Wir wollten etwas Einmaliges erleben, um dann einige Tage später gemeinsam Selbstmord zu begehen.“

Erzählt hat er davon zu Hause nichts. Isoliert ist er dort in seinem bürgerlichen Elternhaus mit zwei jüngeren Schwestern. Was die Ursache für die Abgrenzung zu Hause ist, wird der Prozess vielleicht herausarbeiten. Unbemerkt von seinem Umfeld entwickelt er aber offenbar seine Psychose mit schizophrenen Formen, mit Wahnvorstellungen, mit Hass. Seit Oktober sitzt er in der psychiatrischen Landesklinik in Lippstadt, nachdem Verteidiger Stefan Kixmöller erste Anzeichen für eine Psychose gesehen hatte und die Staatsanwaltschaft zunächst Gutachterin Maren Losch eingeschaltet hatte. Ihr erzählte Markus K., dass er mit dem Angriff auf die Polizisten ein Fanal setzen wollte, um auf das zerstörerische Treiben von Polizisten und Politikern sowie auf Überfremdung hinzuweisen. Zu seinen Plänen hätte auch gehört, mit der Pistole im Düsseldorfer Landtag Amok zu laufen. Sechs Prozesstage hat das Schwurgericht geplant.