Essen/Gelsenkirchen. Zum Prozessauftakt sind die beiden im August 2011 mit Messerstichen lebensgefährlich verletzten Polizisten erstmals auf ihren Angreifer getroffen. Geständnis und Entschuldigung des 21-jährigen Markus K. sind von der Kälte eines wahnhaft erkrankten Menschen geprägt: „Ich nahm in Kauf, dass sie sterben.“
Er bittet um Verzeihung, bleibt aber ohne Antwort. Die beiden Gelsenkirchener Polizisten, die Markus K. fast getötet hätte, hatten dem Essener Schwurgericht zuvor eindrucksvoll geschildert, wie sie völlig arglos waren, bevor er am 9. August auf sie einstach. Sein Geständnis zum Prozessauftakt ist dagegen immer noch von der Kälte eines wahnhaft erkrankten Menschen geprägt: „Ich nahm in Kauf, dass sie sterben.“
Zu einem harmlosen Verkehrsunfall in der Waterbergstraße hatte er die Polizei in der Nacht zum 9. August gerufen, ohne wissen zu können, welche Beamten kamen. Dass er einen schlecht beleuchteten Parkplatz ausgesucht hatte und mit zwei Messern bewaffnet war, sah er als „kleinen Vorteil“. Auch die Arglosigkeit der Beamten: „Das war eine faire Sache, denn sie waren zu zweit mit Pistole.“
„Es tat mir leid, dass ich ihm gleich Geld abnehmen würde“
Es ist still im Saal, als die heute 31 Jahre alte Polizistin die Nacht schildert. Zu einem „Parkplatzrempler“ habe die Leitstelle sie geschickt. Sie hätte dort den jungen Mann gesehen: „Es tat mir leid, dass ich ihm gleich Geld abnehmen würde. Ganz schön ehrlich, dass er anruft. Gibt nicht mehr viele, die so einen Unfall melden.“
Sie stieg aus, da griff er sie unvermittelt an, stach ihr mit dem Messer in den Hals. Dabei rief er nach ihrer Erinnerung: „Nazis, Sozialstaat, Sterben.“ Markus K., der Ausländer hasste und ein Jahr in der NPD aktiv war, will dagegen „Nationaler Sozialismus“ gerufen haben.
Erschossen werden wollte er von den Polizisten, sagt er dem Gericht, wollte so Selbstmord begehen. Aber kampflos hätte er nicht abtreten wollen. Wären die Polizisten gestorben, und er hätte überlebt, so erzählt er weiter, wollte er zum Düsseldorfer Landtag fahren, dort auf Politiker schießen, um schließlich von der Polizei getötet zu werden. Gewaltfantasien sind ihm nicht fremd. Gedacht hatte er auch mal daran, das Haus seiner Eltern anzuzünden.
Eine Psychose, wie sie im Lehrbuch stehen könnte
Seit dem 16. Lebensjahr, damals trat er in die NPD ein, fühlt er sich beobachtet und verfolgt, entwickelt Hass auf Polizisten und Politiker. Eine Psychose, wie sie im Lehrbuch stehen könnte, ohne dass sie seiner Umgebung aufgefallen wäre. Heute, nachdem er seit Monaten behandelt wird und unter Medikamenten steht, nennt er es selbst „wirres Zeug“. Damals fürchtete er, „dass mir was zustoßen könnte“, dass der Staat ihn umbringen werde. Von einem „NPD-Aktivisten“ hörte er, dass der Staat Anschläge auf die Rechten verübt: „Ich dachte, dass Leute, die eine Gefahr für den Staat darstellen, heimlich, still und leise aus dem Weg geräumt werden.“ Beschattet, Abgehört wähnte er sich. Sah in jedem Auto einen Verfolger: „Wenn man Sachen sehen will, sieht man auch Sachen.“
Leiden mussten seine Zufallsopfer, die jetzt „das wirre Zeug“ anhören müssen, das ihnen fast das Leben gekostet hätte. Die Beamtin erzählt, wie sie nach hinten fiel, wie sie sich kaum mehr bewegen konnte und nur mit Mühe über Handy 110 die Leitstelle alarmierte. Gleichzeitig hörte sie, wie Markus K. zur Beifahrerseite lief, dort auf den Kollegen einstach. Irgendwann rief er sogar: „Jetzt schieß doch endlich, töte mich.“ Worte, an die der 46 Jahre alte Beamte keine Erinnerung mehr hat.
Die Polizisten zeigen dem Gericht die Narben am Hals, berichten von den Folgen der Attacke. Dass die Beamtin häufig ihr Auge abtrocknet, auch das ist eine Verletzungsfolge. Im Dienst sind beide noch nicht.
Sie setzen sich wieder, und Markus K. bringt seine Entschuldigung vor. Er formuliert frei, und es mag an den Medikamenten liegen, dass sie so emotionslos klingt: „Die Tat ist das Ende eines immer stärkeren Abdriftens meiner Person.“ Für ihn sei sie ein „cut“, ein Schnitt, gewesen. Für die Beamten, fährt er fort, sei der Angriff „auch ein cut gewesen, unfreiwillig“. Dann schließt er ab: „Ich möchte mich entschuldigen, auch wenn Sie nur Hass empfinden.“ „Möchten sie sich dazu äußern?“, fragt Richter Andreas Labentz die Polizisten. Sie schütteln den Kopf, schweigen.