Gelsenkirchen.

Dass Jürgen Becker die Kunst des politischen Kabaretts beherrscht, beweist er als Gastgeber der „Mitternachtsspitzen“. In seinem Live-Programm „Der Künstler ist anwesend“ nimmt der kölsche Jung sein Publikum mit auf eine unterhaltsame Reise durch die Kunstgeschichte. Am Samstag gastierte Becker im Musiktheater im Revier (MiR) und begeisterte mit Fachwissen und zielsicheren Pointen.

„Das ist mal was anderes“ sei ein Satz, der sich bestens eigne, ein Kunstwerk zu beschreiben, das einem gar nichts sagt, meint Becker. Ein Bild müsse schließlich aus sich selbst sprechen. Der Satz trifft aber tatsächlich auch auf Beckers Programm zu. Aktuelle politische Themen finden zunächst nur am Rande Erwähnung. Dafür referiert er über große Künstler und Kunstepochen, vergisst aber nie den Bezug zur Gegenwart. Sein Trip durch die Geschichte ist nicht nur lehrreich, sondern auch lustig, kurzweilig und manchmal provokativ.

Von den Ägyptern bis zu den Römern

Bilder, Skulpturen und Bauwerke, die auf eine große Leinwand projiziert werden, dienen als Anschauungsmaterial. Dabei zieht Becker einen Bogen von den Ägyptern über die Griechen bis hin zu den Römern. So erfährt der Zuhörer, wie sich griechische Kapitelle unterscheiden, warum Italien von Politikern regiert wird, die einen Dachschaden haben, oder was passiert, wenn Kunst auf Religion trifft. So präsentiert er eine Kopie von Max Ernsts „Die Jungfrau züchtigt den Jesusknaben vor drei Zeugen“, das in den 1920er Jahren sogar zur Exkommunikation des Künstlers führte. Überhaupt sei die Spannung zwischen Kunst und Religion nicht zu übersehen.

Auf die Kernfrage, was Kunst ist, gibt es im fast ausverkauften MiR keine Antwort. Jürgen Becker hat aber eine eigene Definition: „Kunst ist alles, was die Spedition Hasenkamp transportiert.“ Dafür lernen die Gäste, dass Kleinkunst im Gegensatz zur bildenden Kunst auf Betrachter angewiesen ist. „Wenn keiner kommt, fällt es aus.“ Deshalb freut er sich umso mehr, als er einen großen Bilderrahmen über die Bühne trägt und darin das für ihn schönste Bild der Welt sieht: das applaudierende Publikum.