Gelsenkirchen. Im Gelsenkirchener Stadtteil Ückendorf geht die Sorge um: Die Deutsche Annington will die historische Arbeitersiedlung Flöz Dickebank aller Wahrscheinlichkeit nach an die Gruppe Häusser-Bau verkaufen. Das Unternehmen, so die Befürchtung, privatisiert die Häuser und setzt die Mieter auf die Straße.

In Ückendorf geht die Angst vor der Heuschrecke um. 250 besorgte Mieter informierten sich am Mittwoch über den geplanten Verkauf der historischen Arbeitersiedlung Flöz Dickebank. Die Befürchtung: Der Eigentümer Deutsche Annington verkauft an ein Unternehmen, das die Häuser einzeln privatisiert und die Mieter auf die Straße setzt. Die Zeit drängt, ein Käufer steht in den Startlöchern.

Bis auf den letzten Platz ist der Pfarrsaal St. Joseph bei der Versammlung besetzt. „Am Aschermittwoch ist sonst alles vorbei, bei uns geht der Karneval erst los“, so Udo Brückner. Der SPD-Ratsherr ist selbst Mieter und hat mit Mitstreitern die Gruppe „Neue Wege für Flöz Dickebank“ gegründet. „Die Mieter hier sind nicht die, die kaufen können.“ Doch von Einzelverkäufen gehen alle aus, sollte die hochgehandelte Bochumer Gruppe Häusser-Bau den Zuschlag kriegen. „Ein Unternehmen, das kauft, um unmittelbar weiterzuverkaufen und Gewinne zu machen“, so Rainer Stücker, Geschäftsführer des Mietervereins Dortmund.

„Alle Schutzrechte werden komplett gewahrt bleiben"

Auch Stadt und Land beschäftigt das Thema. „Wir sind im Januar informiert worden, dass die Verhandlungen fortgeschritten sind“, so Baudezernent Michael von der Mühlen. Das Geschäftsmodell sehe „einen Teil Wohnungen, einen Teil Verkauf“ vor. Die Stadt will dies verhindern und prüft selbst den Kauf durch ihr Wohnungsunternehmen GGW. Der Landtagsabgeordnete Markus Töns bestätigte Gespräche auf Regierungsebene über mögliche Fördermittel. Es müsse ganz genau geprüft werden, „falls das Land mit Steuergeldern eine private Siedlung kauft“. Wie akut der Handlungsbedarf ist, zeigt die Stellungnahme von Hans-Joachim Härtling, Geschäftsführer Ruhr/Rheinland bei der Annington: „Mit der Stadt sind wir für die nächsten 14 Tagen im Gespräch.“ Man sei abschlussfähig und werde das auch bleiben.

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Für die knappen Worte zu den Plänen seines Unternehmens erntete Härtling Kritik von Mietern und vom Podium. „Drei sperrige Sätze sind des Themas nicht angemessen“, so CDU-Fraktionschef Werner Wöll, der bei der GGW im Aufsichtsrat sitzt. Eine Zusage ließ sich Härtling dennoch entlocken: „Alle Schutzrechte werden komplett gewahrt bleiben, egal an wen wir verkaufen.“ Dazu zählt das lebenslange Wohnrecht bei Wohnungen, die dem Bergbaubelegungsrecht unterliegen. Bei einem Kauf von Häusser-Bau ist das lebenslange Wohnrecht auch für alle Mieter und ein Vorkaufsrecht denkbar. Bei der Zoosiedlung wurde beispielsweise eine Sozialcharta mit dem Mieterverein Gelsenkirchen und dem Unternehmen verabschiedet, die beides regelt.

"Die wichtigste Arbeitersiedlung Gelsenkirchens"

„Flöz Dickebank ist städtebaulich und siedlungshistorisch mit all ihren sozialen Erfahrungen und Kämpfen die wichtigste Arbeitersiedlung Gelsenkirchens“, so von der Mühlen. „Ich bin aber weit davon entfernt, ihnen heute euphorische Versprechen zu machen.“ Knackpunkt sind die Kosten der sanierungsbedürftigen Siedlung. Auch unter Berücksichtigung von Fördermitteln und eines geringen Grundstückspreises schätze er den Kauf bislang als unwirtschaftlich ein. Ein Eindruck, den einige Mieter bei Wortmeldungen indirekt bestätigen: Zugige Fenster, feuchte Wände und Schimmel sind nicht selten. Schuld sei die Annington, die Mängel nicht behebt oder erst gar nicht erreichbar sei. Ein GGW-Kauf ist damit unwahrscheinlich.

Nicht alle Bewohner sind einem Verkauf grundsätzlich abgeneigt. Eine Forderung, die jedoch beschlossen wurde, ist der sofortige Stop der Gespräche mit Häusser-Bau. Zudem ist die Annington bereit, von dem 14-Tage-Fenster abzuweichen und Druck aus dem Kessel zu lassen. Hans-Joachim Härtling: „Herr von der Mühlen weiß, dass, wenn es sein muss, wir der Stadt auch drei Monate einräumen.“

Das heißt nicht, dass die Verhandlung mit Häusser-Bau ruhen. Sondern nur, dass ein rechtskräftiger Eigentümerwechsel in dieser Zeit ausgeschlossen ist. In einer weiteren Versammlung am 1. März wollen sich die Mieter weiter beraten.