Gelsenkirchen. Auf dem Rhein-Herne-Kanal geht nichts mehr: 20 Zentimeter Eis machen die großen Kähne manövrierunfähig. Mit rund einer Woche Zwangspause rechnet der 65-jährige Kapitän Jürgen Maier. Eigentlich war er auf dem Weg nach Magedeburg.
Mit der berühmten Handbreit Wasser unter dem Kiel sieht es für die Binnenschiffe auf dem Rhein-Herne-Kanal momentan denkbar schlecht aus. Bis zu 20 Zentimeter misst die Eisdecke. Seit einer Woche liegt Jürgen Maier mit seinem Schiff in der Höhe der Brücke an der Kurt-Schumacher-Straße fest. Ein Weiterkommen ist nicht in Sicht. „Eine Woche werden wir wohl noch hier bleiben“, so der Schiffsführer.
Die Heizung im Steuerhaus des 85 Meter langen Schiffs läuft bei Außentemperaturen von vier Grad unter Null auf Hochtouren. Seit 50 Jahren ist Maier im Geschäft. Bei Wind und Wetter transportiert er meist Baustoffe. „Ich erledige jetzt kleinere Reparaturen, die sonst liegen bleiben.“ Allzu lange draußen aufhalten mag sich Maier bei unserem Besuch am Samstag nicht. „Es ist eisig.“ Das Steuerhaus dafür umso komfortabler. Auch die Technik braucht Wärme. „Radar, Funkgerät und Displays sind sehr kälteempfindlich.“
„Jeder sieht zu, dass er schnell wieder rein kommt“
Die Gespräche unter Kollegen (zur Zeit haben mehrere Schiffe am Kanal und im Stadthafen festgemacht) sind wie die Kähne auf Eis gelegt. „Jeder sieht zu, dass er schnell wieder rein kommt.“ Den Standort Gelsenkirchen hat Maier bewusst angesteuert. „Wir können uns hier gut versorgen, die Geschäfte sind zu Fuß zu erreichen und die Bahnhaltestelle ist in der Nähe.“
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Die Fahrt auf dem Kanal stellt ein zu hohes Risiko dar. Das Schiff von Jürgen Maier arbeitet mit einer Düse, die Wasser ansaugt. „Das Eis ist nicht das Problem, sondern Teile wie Holz oder Dosen, die darin eingeschlossen sind.“ Wird so ein Teil angesaugt, „kann einem das Getriebe um die Ohren fliegen“. Der Schaden wäre in einem Jahr für den selbstständigen Binnenschiffer nicht zu verdienen.
Eine Konfuzius-Figur in der Höhe des Steuerrades mahnt Jürgen Maier trotz Zwangspause zu Ruhe und Gelassenheit. „Solche Unwägbarkeiten kann man nie ausschließen.“ In den Anfangsjahren seiner Tätigkeit seien winterbedingte Ausfälle von bis zu zwei Monaten normal gewesen. „In den letzten 5 Jahren ist es wieder stärker geworden mit den kalten Temperaturen.“ Warten ist Maier, der zwischen Bonn und Koblenz lebt, gewohnt.
Sechs Wochen hat er sogar schon wegen Eis nicht fahren können, auch Hochwasser sorgt häufiger für Auszeiten. An Aufhören denkt der 65-Jährige (noch) nicht. „Die Arbeit macht mir weiterhin Spaß, aber der Zahn der Zeit nagt auch an mir.“ Und obwohl er die Zeit, die er jetzt wegen der „Eiszeit“ verloren hat, nicht aufholen kann, ist Maier optimistisch: „Es ist früh im Jahr, wir können noch viel tun.“