Gelsenkirchen. . Seit einem guten halben Jahr ist Hendrik Jochheim Leiter des Schalker Fanprojekts. Ein Gespräch über seine Arbeit als Ansprechpartner für alle Probleme, „Problem-Fans“, und den Einsatz von Pyrotechnik und Böllern in Fußball-Stadien.
Schwere Ausschreitungen von Dresdner „Fans“ in Dortmund, Steinwürfe von Frankfurtern auf Polizisten, Attacken mit Fäkalien von Kölnern auf Schalker – die Welle von Ausfällen in und um deutsche Fußballstadien ebbt nicht ab. Hendrik Jochheim hat sich früh auf die Suche nach den Wurzeln des Problems gemacht: Über „Gewalt in deutschen Fußballstadien“ hat der 32-Jährige seine Abschlussarbeit an der FH geschrieben, und über Möglichkeiten und Grenzen Sozialer Arbeit mit Ultra-Bewegungen. Seit einem guten halben Jahr leitet Jochheim das Schalker Fanprojekt: „Ich fühle mich hier sehr wohl in meiner Rolle.“
Jochheim will nicht alle Fans in einen Topf schmeißen
Jochheim hat ein Problem: mit dem Begriff „Problem-Fan“, „weil man damit alle in einen Topf schmeißt. Da ist man als Fan dann gleich gewalttätig, nur wenn man einen Bengalo zündet.“ Für Jochheim steht dagegen fest: „Für mich ist Pyrotechnik keine Gewalttat, sondern ein Stilmittel“ – mit dem Ultra-Bewegungen ihre Emotionen für den Verein symbolisierten. Natürlich müssten die Fans dabei „die Anliegen der Sicherheit bedenken“. Und natürlich dürfte mit den Bengalos nicht um sich geworfen werden. Eins ist für Jochheim komplett tabu: „Böller gehen gar nicht.“
Es scheint, als sei die Pyrotechnik einer der Steine allen Anstoßes. Einseitig hatte der Deutsche Fußball Bund kürzlich eine Absprache mit den Ultra-Bewegungen aufgekündigt. Seitdem brennt es wieder öfter in den Stadien. „Die Ultras hatten die Vereinbarung eingehalten“, sagt Jochheim im Nachhinein, „das ist in der Debatte leider unter gegangen.“
"Heimatverbundenes Publikum"
Insgesamt hat der Fanprojekt-Leiter, zu dessen Aufgabenspektrum private Probleme der Fans ebenso gehören wie Stadionverbote, auf Schalke ein sehr heterogenes Publikum vorgefunden, „was die Arbeit hier sehr interessant macht“. Ein heimatverbundenes Publikum: „Die haben einen sehr starken Bezug zu Gelsenkirchen. Ich weiß nicht, ob das bei anderen Vereinen so ausgeprägt ist, dass die Liebe zur Stadt so groß ist.“ Die, um die sich Jochheim und seine Mitarbeiter vorrangig kümmern, das sind die immer rund 500 Fans, die sich vor Heimspielen zur Einstimmung an der Glückauf-Kampfbahn treffen; die bei Spielen gegen Dortmund auch schon mal auf 1500 anwachsen können. Wieviele davon als „Problem-Fans“ eingeschätzt werden könnten? Da schweigt Jochheim, da bleibt er ganz Anwalt seiner Klienten, die Jochheim und seine Kollegen zu allen Spielen begleiten.
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Seine primäre Aufgabe sieht Jochheim darin, „der Polizei unsere Arbeit darzustellen und ihr die Lebenswelt der Ultras nahe zu bringen“. Immerhin sei diese Bewegung die aktuell „größte und attraktivste Jugendsubkultur“. Verständnis, Respekt, Achtung gelte es auf beiden Seiten zu wecken, bei der Polizei, bei den Ultras. Es ist ein Angebot, das auf Dialog setzt: Vor allem in der persönlichen Beziehung zu den meist 16- bis 25-jährigen Fans. Kürzlich hat das Fanprojekt die Kontakte zur Bundespolizei intensiviert, im Verhältnis zur Gelsenkirchener Polizei aber liegt noch einiges im Argen: „Es besteht kaum bis keine Kommunikation“, beklagt Jochheim. Er wird auch daran arbeiten.
Sieben Spiele sind es für Verein, Fans und Fanprojekt noch in 2011. Dank der jahrelangen Fan-Freundschaft wird das nächste am Samstag gegen den 1. FC Nürnberg ein friedliches werden, ein Null-Risiko-Spiel. Mit dem Fanprojekt bleibt das keine Ausnahme.