Rom. WM-Triumph mit Weltrekord über 200 Meter Freistil: Der deutsche Paul Biedermann schlägt den Rekord-Olympiasieger aus den USA Michael Phelps.
Michael Phelps war der Schnellste. Während Paul Biedermann den rechten Arm mit gestrecktem Zeigefinger hoch in den azurblauen Himmel reckte, war der US-Amerikaner als Erster längst aus dem Wettkampfbecken im Foro Italico geklettert. Paul Biedermann, der 22-jährige Praktikant der Halleschen Wasserwerke, hatte den Weltsportler des Jahres 2008, den 14-maligen Olympiasieger besiegt. Und nicht nur das: Er holte bei der Schwimm-Weltmeisterschaft in Rom sein zweites Gold und nahm Phelps auch noch den Weltrekord über 200 Meter Freistil ab. 1:42,00 Minuten lautet die neue Bestmarke, nach Rom war er mit der Europarekordzeit von 1:44,71 Minuten angereist.
Ein Weltstar
Biedermann ist jetzt nicht nur ein Star des deutschen Sports, er ist ein Weltstar. „Ich fühle mich nicht so”, sagte er, „ich will einfach so bleiben, wie ich bin.” Dass es schwer wird, spürte er schon Minuten nach seinem Triumph. Kameraleute von Fernsehstationen aus der ganzen Welt beharkten sich, um die besten Bilder des Mannes einzufangen, der den großen Michael Phelps erstmals seit dem 30. Juli 2005 das Gefühl vermittelte, wie eine Niederlage bei internationalen Wettkämpfen schmeckt. Sie muss sich sehr bitter angefühlt haben, denn nach seinem zweiten Platz in 1:43,22 Minuten flüchtete der 25-jährige Mann aus Baltimore nicht nur ganz schnell aus dem Wasser, seine erste Gratulation für Biedermann fiel auch ziemlich unterkühlt aus.
„Was soll ich dazu sagen”, fragte Biedermann in die Runde, als er zu der Reaktion von Phelps Stellung beziehen sollte und gab dann doch die Erklärung, warum der Superstar so angesäuert ausschaute: „Phelps hat acht Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Peking gewonnen, und ich besiege ihn hier auf seiner Spezialstrecke.” Aber nach dem Wettkampf hatte sich Phelps wieder gefangen und zollte seinem Bezwinger Respekt: „Das war der härteste Tag in meinem Leben. Paul war der Bessere. Er hat ein verdammt starkes Jahr.”
Zwei Weltrekorde binnen 48 Stunden
Innerhalb von 48 Stunden knackte Biedermann zwei Weltrekorde, die vor der WM für unantastbar angesehen wurden. Erst verbesserte er die Marke des Australiers Ian Thorpe über 400 Meter Freistil, dann die von Phelps über 200 Meter. „Es ist unglaublich”, wunderte sich Biedermann über sich selbst, „Thorpe und Phelps, das sind zwei lebende Schwimmlegenden. Es macht mich unheimlich stolz, dass ich die Zeiten von solchen Schwimmern unterboten habe. Aber ich kann mich mit einem Michael Phelps noch nicht auf eine Stufe stellen.”
Natürlich musste Biedermann der versammelten Weltpresse diese unglaublichen Steigerungen innerhalb von kürzester Zeit versuchen zu erklären. „Mein neuer Anzug ist wirklich sehr gut. Er hat mir über 400 Meter ungefähr zwei Sekunden gebracht”, erklärte der Hallenser und erzählte dann, was ihm Ian Thorpe aus Australien per Mail zugeschickt hatte: „Er hat gesagt, es liege nicht nur am Anzug, sondern auch an mir. Das hat mich sehr stolz gemacht.”
Anzug und Trainer
Neben dem neuesten Anzug-Modell X-Glide seines Ausrüsters Arena verweist Biedermann auf seinen Trainer Frank Embacher, wenn er die Gründe für seine Leistungsentwicklung nennen soll. Unter ihm habe er sein Training erheblich steigern können. Ohne verbotene Mittel, wie Paul Biedermann gestern erneut betonte: „Ich bin sauber. Ich habe über 20 Kontrollen in diesem Jahr gehabt.” Aber die Zeiten, dass Sportler mit bestandenen Kontrollen die Absolution erhalten und als sauber gelten müssen, ist längst vorbei. Paul Biedermann gehört jetzt zu den Weltstars des Sports. Und diese müssen im 21. Jahrhundert mit Fragen nach der Sauberkeit ihrer Leistungen leben. Daran wird sich Paul Biedermann gewöhnen müssen.