Gelsenkirchen.

Als der bulgarische Pianist Vesselin Stanev geendet hatte, als die letzte der zwölf aberwitzig schweren, komplexen „Études d´exécution transcendante“ von Franz Liszt verklungen war, schien kaum mehr ein trockener Faden am Interpreten zu haften.

So sehr hatte er sich am Sonntag im Schloss Horst mit ingrimmiger Konzentration ins virtuose Getümmel gestürzt, um die musikalischen Gewalten im Zaum zu halten. Die Treibhausluft in der Glashalle, der gleißende Scheinwerfer, der Tastatur und Musiker illuminierte – sie taten ein übriges.

Was Liszt Etüden nannte, hat mit Übungsstücken nichts mehr zu tun. Diffizile Figurationen, wilde Akkordsprünge, tief brodelnde oder kristallin flirrende Triller, halsbrecherische Skalen – die komplette Bandbreite exaltierter Virtuosität wirbelte uns um die Ohren. Im Wechsel erklangen Stücke, die nur durch Tempobezeichnungen markiert sind, und solche, die tonmalerische Funktion haben.

Wilde Akkordsprünge

Wie etwa „Mazeppa“: Liszt illustriert darin einen wilden Ritt, das entsprechende musikalische Thema variativ aufspaltend. Der Klang weitet sich ins Orchestrale, die Grenze zum Geräusch wird bisweilen überschritten. Das wirkte indes nie störend laut. Stanev leistete, als Gast des Klavier-Festivals Ruhr, seinen Beitrag zum Liszt-Jahr in beeindruckender klanglicher Ausgewogenheit.

So vermochte der Pianist noch in den wuchtigsten Passagen die Mittelstimmen herauszufiltern. Und stillere Stücke wie „Ricordanza“ (Erinnerung) oder „Paysage“ (Landschaft) entfalteten sich in schönster Ruhe. Dass Stanev die „Erinnerung“ teils in impressionistischer Färbung aufblitzen ließ, schien nur folgerichtig. Vor diese Exerzitien revolutionärer Klaviertechnik hatte der Pianist Bachs Orgel-Fantasie und -Fuge g-Moll in einer Bearbeitung Liszts gesetzt. Da zelebrierte er mit beinahe heiligem Ernst barocke Strenge, ohne die romantische Überhöhung zu vernachlässigen. Wie im übrigen die gesamten 90 Konzertminuten einem Ritual, einer Verneigung vor Liszt glichen.

Lauter Beifall des ruhig und aufmerksam lauschenden Publikums.