Weimar. Auf den Spuren des begnadeten Musikers Franz Liszt führt eine Reiseroute durch Thüringen. Auf dem Weg erfährt man Anekdoten, wird an bedeutende Orte des Wirkens des Meisters geführt und sieht nebenbei einige der schönsten Ecken des Landes.

Reisen ist und bleibt die populärste Form von Glück. Zu diesem Ergebnis kam erst kürzlich eine repräsentative Umfrage. Er reiste viel, Franz Liszt (1811-1886), und das in einer Zeit, als dies noch beschwerlich war. Studien und Konzerte führten ihn durch ganz Europa, bis an den Bosporus. Sein Name ließe sich nach seinen Wirkungsstätten buchstabieren: L wie Lugano, I wie Istanbul, S wie Straßburg, Z wie Zagreb und T wie Tilsit, um nur einige zu nennen.

Anekdoten aus der Liszt-Zeit

Doch warum in die Ferne schweifen? Allein in Thüringen kommt man mit Liszt als Wegbegleiter weit herum. Im Südwesten des mitteldeutschen Bundeslandes war am Meininger Musenhof sein Schwiegersohn Hans von Bülow als Hofkapellmeister tätig. Im Norden ist die nahe der berühmten Barbarossahöhle im Kyffhäuser gelegene Musik-, Berg- und frühere Residenzstadt Sondershausen zu nennen. Dort erzählt Zimmermädchen Sophie Anekdoten aus der Lisztzeit, zeigt stolz die sechsspännige Goldene Kutsche oder den restaurierten Lisztflügel im Riesensaal des Schlosses. Das aus der Hofkapelle hervorgegangene staatliche Loh-Orchester führt noch heute regelmäßig seine Werke auf.

Eine Reise auf den Spuren des Komponisten verbindet Bewegung in schöner Landschaft mit Wellness und geistig-kulturellem Genuss. Der Gast wird an geschichtsträchtige Orte geführt und bei den vielen Konzerten und Veranstaltungen, die in Liszts 200. Geburtsjahr stattfinden, taucht er nicht nur in dessen Musik ein, sondern kann sogar mit Liszt baden gehen. Das zumindest verspricht die Toskana-Therme Bad Sulza, wo sein Werk als Unter-Wasser-Musik zu hören ist. Für Besucher von Bad Berka ertönt es aus dem Geäst der Bäume des elf Hektar großen Kurparks und wird in der Dämmerung zum Licht-Klang-Erlebnis.

Im Bachhaus geht es bis heute musikalisch zu

Die durch Krämerbrücke - die längste bebaute Brücke nördlich der Alpen - und Domstufenfestspiele bekannte Landeshauptstadt Erfurt kann mit dem Kaisersaal einen authentischen Liszt-Konzertort aufweisen. Eisenach am Fuße der Wartburg "glänzte schon immer durch Musik". Mit dieser Einschätzung würdigte der Historiker Christian Franz Paullini (1643-1712) zwar die mittelalterliche Minne Walters von der Vogelweide und die musikalischen Vorfahren Johann Sebastian Bachs. Doch nicht nur im Bachhaus, der ältesten Gedenkstätte für den späteren Thomaskantor, an der ohnehin niemand vorbeikommt, geht es bis heute musikalisch zu.

Um hier Liszt zu finden, muss der Besucher allerdings auf Thüringens Wahrzeichen klettern. Auf der Wartburg wird er mit einem traumhaften Blick in die eindrucksvolle Landschaft belohnt. Beim Rundgang durch das Gemäuer trifft er zunächst auf Luther, der hier das Neue Testament übersetzte. Inspiration für Liszt aber war seine ungarische Landsfrau, die Heilige Elisabeth, die 1211 als Vierjährige auf die Burg der Thüringer Landgrafen kam. Sein ihr zu Ehren geschaffenes Oratorium dirigierte Liszt zur 800-Jahr-Feier der Wartburg selbst. Auf dem Sängerstreit-Fries ist sein Porträt zu entdecken. Der Maler Moritz von Schwind verewigte ihn in der Gestalt Wolfram von Eschenbachs.

Liszt macht den Klassikern Konkurrenz

In Weimar schließlich machte Liszt den Klassikern Konkurrenz. Denn wenige Jahre nach Goethes Tod läutete der Klaviervirtuose in dem zum "Musenwitwensitz" (Heinrich Heine) verkommenen Weimarer Hof das "Silberne Zeitalter" ein. Durch ihn wurde Weimar weltweit zum Inbegriff der musikalischen Avantgarde. So steht denn auch als vorübergehendes Kunstobjekt Liszt manchmal mit ausgebreiteten Armen auf dem Goethe-Schiller-Denkmal hinter den beiden Dichtern. Der rastlose Superstar wurde 1848 Hofkapellmeister in besonderen Diensten und in der Villa Altenburg am Rand des Parks an der Ilm sesshaft, jedenfalls zunächst. Hier verbrachte er den wohl längsten zusammenhängenden Lebensabschnitt und seine künstlerisch fruchtbarste Schaffenszeit: Er komponierte zwei Drittel seines Gesamtwerkes und leitete die Hofkonzerte im Festsaal des Stadtschlosses. Dann kam es zum Eklat und sein Wanderleben begann von neuem. Als er bei der Aufführung eines Werks ausgepfiffen wurde, sah er sich als gescheitert an.

Lisztexperte Wolfram Huschke sieht es anders und sagt: "Gescheitert ist Weimar an der Größe von Liszt", während er durch das Liszthaus führt. Es ist die ehemalige Hofgärtnerei am westlichen Ende des Parks an der Ilm, wo Liszt während seines "dreigeteilten Lebens" im Alter, zwischen Weimar, Rom und Budapest pendelnd, in der ersten Etage eine Wohnung bezog. Seine Räume waren bereits kurz nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugängig. Inzwischen ist auch im Erdgeschoss eine Dauerausstellung eingerichtet. Und wieder einmal lassen sich museale und musikalische Glücksmomente erleben. Wer auf der Belvederer Allee mit dem Auto daran vorbeifährt, kann Liszt hören. Denn wenn im Radio ein Thüringer Sender eingeschaltet ist, wird er kurz mit Liszt-Musik überblendet.

Orgel im Originalzustand erhalten geblieben

Mit seinen Schülern, die er kostenlos unterrichtete, soll Liszt oftmals ins Ilmtal gewandert sein, wo sich die Schlösser Tiefurt, Denstedt und Kromsdorf aneinanderreihen. Heute ist die Strecke für Wanderfreunde und Radfahrer als "Franz-Liszt-Promenadenweg" gekennzeichnet. In der Denstedter Kirche, etwa fünf Kilometer von Weimar entfernt, lohnt ein Blick auf die Orgel, die von Liszt gespielt und geschätzt wurde und im Originalzustand erhalten ist. Wer im Jubiläumsjahr dem Duft der Bratwurst, dem Weihrauch Thüringens, folgt, wird immer wieder auf Liszt treffen, den das Bundesland unter dem Motto "Franz Liszt - Ein Europäer in Thüringen" vereinnahmt hat. (dapd)