Gelsenkirchen. . Das Projekt Offener Ganztag wird von der Stadt gelobt. Die Redaktion hat nachgehakt: Nicht alle Eltern halten die OGS für einen Bestseller. Eine Mutter aus Gelsenkirchen-Buer übt vor allem Kritik an den unflexiblen Betreuungszeiten.
Das Projekt der offenen Ganztagsschule (OGS) in Gelsenkirchen – Oberbürgermeister Frank Baranowski präsentierte es gerade als „Erfolgsgeschichte“. Viele betroffene Eltern sprechen der OGS die Bestseller-Qualitäten jedoch ab: zu starr, zu wenig familienfreundlich seien die Strukturen, zu rar die Plätze.
Stadtweit werden derzeit 2400 Kinder in 100 OGS-Gruppen von 8 bis 15 bzw. 16 Uhr betreut, darunter auch die zwei Töchter (7 und 9) von Anna Hering aus Buer (Name von der Redaktion geändert). Einerseits ist die 46-Jährige, mit einer vollen Stelle im öffentlichen Dienst tätig, „heilfroh und dankbar“, die Plätze an der Urbanusschule ergattert zu haben, „denn sonst hätte mein Mann oder ich den Job aufgeben müssen.“
Andererseits ärgert sie sich über die Unflexibilität des Systems OGS: „Laut Vertrag muss ich meine Töchter an jedem Schultag in die OGS schicken, auch wenn ich die Betreuung nur an zwei oder drei Tagen in der Woche benötige. Begründet wird dies mit der Kontinuität der pädagogischen Arbeit, aber damit nimmt man mir die Möglichkeit, mit den Kindern zu essen und Hausaufgaben zu machen. Das ist eine Fremdbestimmung, die ich als untragbar empfinde, erst recht wenn Lehrer negativ über die Eltern reden, die ihre Kinder in der OGS ,parken’, wie es heißt.“
Lange Warteliste für Anmeldung
Diese Kritik laut und mit ihrem Namen zu äußern, wagt die 46-Jährige nicht aus Sorge, die OGS-Plätze zu verlieren. Schließlich gebe es eine lange Warteliste, längst nicht alle Eltern kämen zum Zuge. „So bleibt mir nur, mich zu fügen und darauf zu hoffen, dass die ansonsten sehr engagierten Betreuerinnen ein Auge zudrücken, wenn ich alle paar Wochen einen Arzttermin vorschiebe, damit ich einen Nachmittag mit den Kindern verbringen kann.“
Die Bueranerin Lisa Müller (Name von der Redaktion geändert) hat ihre Kinder aus den gleichen Gründen gar nicht erst bei der OGS Urbanusschule angemeldet. „Ich will mir doch nicht die Zeit vorschreiben lassen, die ich mit meiner Tochter verbringe“, sagt Lisa Müller (32). Die verheiratete Mutter einer Erstklässlerin (6) und eines Vierjährigen arbeitet im Schichtdienst „nur“ als Teilzeitkraft, „gerade weil ich meine Kinder noch selbst betreuen möchte; aber genau dafür werde ich letztlich bestraft, wenn die OGS starre Abholzeiten um 15 bzw. 16 Uhr vorschreibt.“
Familienfreundlicher sei es, einzelne Tage buchen, OGS-Plätze teilen zu können und eine Betreuung über 16 Uhr hinaus anzubieten. Die jetzigen Betreuungszeiten trügen weder dem Bedarf von Teilzeit- noch Vollzeitkräften Rechnung.
Stadt fühlt sich nicht zuständig
So bucht sie je nach Wechselschicht Freundinnen oder mal die eine, mal die andere Oma/Opa-Seite, um die Sechsjährige pünktlich um 13.15 Uhr von der Verlässlichen Schule abzuholen und zu betreuen. „Wie lange das der Gesundheitszustand der Großeltern noch zulässt, weiß ich nicht.“
Die Stadt wollte sich auf WAZ-Anfrage zu der Kritik nicht äußern, da sie nicht zuständig sei. Bernd Zenker-Broekmann vom Kommunalen Bildungsbüro erklärte, die Stadt habe keinen Einfluss auf die Bring- und Abholzeiten, weil diese im Erlass des Schulministeriums zur Ganztagsbetreuung vorgeschrieben seien.
„Der Erlass regelt auch, dass die Schüler die OGS täglich besuchen müssen, aber für Kinder, die Musik- oder Sportkurse besuchen oder zu Omas Geburtstag wollen, sind Ausnahmen möglich.“ Dass einige Eltern eine Verlängerung der Betreuungszeit über 16 Uhr hinaus wünschen, überrascht Zenker-Broekmann. „Bisher gibt es dazu wenige Anfragen.“