Gelsenkirchen. . In Gestalt einer expressionistischen Reliefbronze der Bildhauerin Elisabeth Baumeister-Bühler hängt der griechische Gott Merkur im Schloss Horst in Gelsenkirchen. Die Skulptur ist Teil von Werner Bibels einmaliger Sammlung “Arbeiterskulpturen“.

Über fünf Jahre teilte Merkur das Schicksal des Pluto: Er war kein Planet mehr, fristete sein Dasein sozusagen im Gelsenkirchener Untergrund. Jetzt schwebt bzw. hängt der griechische Gott, in Gestalt einer expressionistischen Reliefbronze der großen Bildhauerin Elisabeth Baumeister-Bühler, endlich wieder an einem ihm gemäßen Ort: im Renaissanceschloss Horst. In sechs Metern Höhe neben der alten Hoffassade mit ihren Bogenfenstern angebracht, ist „Gott Merkur“ gleichsam der moderne Reflex auf die figürlichen Planetendarstellungen der Renaissance, die einst in den Nischen des dritten Obergeschosses standen.

Merkur ist Kleinod

Er ist ein echtes Kleinod, dabei mit 1,45 x 1,25 Metern gar nicht mal so klein, dieser Merkur, dessen Umzug nach Horst Sammler Werner Bibl, „Schlossherr“ Elmar Alshut (Kulturreferat) und Landschaftsverband Westfalen-Lippe in einer konzertierten Aktion bewerkstelligten. Elisabeth Baumeister-Bühler (1912-2000) war die erste Dombildhauerin am Kölner Dom und wurde 1996 anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Deutschen Akademikerinnen-Bundes (DAB) als eine von zwölf Frauen gewürdigt, die „Geschichte machen.“

Der Leier spielende Gott, 1963/64 für die Domstadt geschaffen und dort aufgrund einer Verkettung unglückseliger Umstände nie so recht heimisch geworden, ist eine Leihgabe der Sammlung Werner Bibl „Förderung der Kunst im öffentlichen Raum“. Die Reliefbonze ist aber vor allem Teil von Werner Bibels Sammlung „Arbeiterskulpturen“, die nicht nur in Deutschland und Europa eine Ausnahmestellung einnimmt.

Rund 180 Exponate

Rund 180 Exponate umfasst bislang die Sammlung, die im Lichte der Skulpturenkunst (Bronze, Grauguss) die Schwerpunktzeit der westeuropäischen Industrialisierung zwischen 1850 und 1950 dokumentarisch verdeutlicht. Zentrales Thema der (zumeist kostspieligen) Arbeiten, die in den Villen der Industriebosse und den Häusern einer sich heranbildenden neuen Oberschicht besonders beliebt waren, ist der Mensch in den bedeutenden Arbeitsprozessen. Also in den Bereichen Bergbau, Metallverarbeitung, Textil-, Bau- Landwirtschaft. Modelliert, gegossen, gesammelt wurden aber auch Allegorien wie eben Merkur als Gott von Handel und Transport.

Vergleichbare Sammlung gibt es nur in den USA

Eine vergleichbare, 160 Stücke umfassende Sammlung gibt es bislang nur in den USA: Im Grohmann Museum an der Milwaukee School of Engeneering in Milwaukee/Wisconsin. Den Arbeiterskulpturen ist dort ein eigener Schwerpunkt gewidmet, den der Industrielle und Mäzen mit deutschen Wurzeln Grohmann sogar architektonisch hat betonen lassen: durch eine an den Reichstag erinnernde Kuppel. Und rund ein Fünftel der Skulpturensammlung, in Milwaukee stammt von – Bibl.

Der möchte nun seine Kollektion als europäische Sammlung für ein Industriemuseum aufbauen – nicht in Konkurrenz, sondern ergänzend und in Absprache mit Grohmann. Dessen Katalog liegt ohnehin auch auf Deutsch vor; in gleicher Ausstattung wird Ende des Jahres, wieder mit Grohmann, in beiden Sprachen das Katalogbuch zu Bibls Sammlung erscheinen. Eine Kunstrichtung, die so gut wie ausgestorben ist und immer mehr in Vergessenheit gerät, ist dann zumindest erst einmal in zwei Standardwerken erfasst.