Gelsenkirchen. Das Mittelalter wird lebendig, wenn im Schloss Horst die Besucher die Schloss-Baustelle von anno dazumal betreten. Exponate sind Nebensache - anfassen, zuhören, gucken, staunen, entdecken, begreifen, lautet das Motto.
Der Weg zurück ins Mittelalter führt über eine Wendeltreppe. Ein paar Stufen nur hinab in die Tiefe und die Welt ist eine andere. Zeitreise mitten im Schloss Horst. Wir beamen uns zurück in die Renaissance. Eine Stunde lang setzen wir uns auf die Fährte von Baumeistern, Schmieden, Schreinern und Steinmetzen, sehen Meistern und Gesellen auf die Fingern und staunen über ihren Findungsreichtum.
Wir stehen nicht allein auf der Schwelle vom Heute ins Mittelalter. Ein kundiger Wegbegleiter ist Elmar Alshut. Der Historiker befasst sich seit 1985 mit dem Horster Schloss, kennt jeden Stein, jeden ausgegrabenen Nagel, brachte das Museum auf den Weg. Das öffnete im November 2010 seine Pforten und präsentiert seitdem das „Leben und Arbeiten im Zeitalter der Renaissance“.
Zeitmeister per Audioguide
Aber auch, wenn Historiker Alshut die Besucher nicht durch die Kellergewölbe begleitet, sind die Zeitreisenden nicht allein. Per Audioguide schaltet sich nämlich der Zeitmeister dazu, der die Menschen mit Geschichten und Erläuterungen an die Hand nimmt. Er macht eine Tour für Erwachsene, eine für Kinder.
Der Abstieg ist geschafft. Am Ende der Wendeltreppe betritt der Gast das Forscherlabor. Das ist noch leer. Aber schon bald werden hier drei Arbeitsplätze an die erinnern, die die Renaissance im Schloss Horst zu neuem Leben erweckt haben, an den Archäologen, den Bauforscher und den Historiker. Schloss Horst entstand zwischen 1554 und 1573 auf den Ruinen alter Höfe und Burgen.
Erlebnis- und Erkenntnisort
Ganz langsam taucht der Besucher ein in die Welt des 16. Jahrhunderts. Schummerig ist das Licht des Mittelalters. Alshut warnt vor falschen Erwartungen: „Wir sind kein Kunstmuseum. Mona Lisa und David stehen woanders.“ Hier geht es um Kulturgeschichte. „Wir sind ein Erlebnis- und Erkenntnisort.“ Sehen, Hören, Riechen, Anfassen inklusive.
Das Licht im Mittelalter ist gedämpft. An den Wänden werden Fragen aufgeworfen („Durften die beim Arbeiten Bier trinken?“), die am Ende der Lehrstunde beantwortet werden. Jetzt noch den Sackleinenvorhang bei Seite geschoben und schon steht man mitten drin in der mittelalterlichen Schloss-Baustelle anno 1565.
Blick auf mittelalterliche Baustelle
Hammerschläge sind zu hören, Sägen, es riecht nach Holz. Auf dem Sandboden liegen Bohlen zum besseren Laufen für die Handwerker. Bei Regen sollen sie schließlich nicht gleich im Schlamm versinken. Im braunen Sand sind Abdrücke von Pferdehufen zu sehen, von Hühnern und Ziegen. Neugierig, was hinterm Bauzaun passiert? Kein Problem! Einfach mal durch ein Astloch gelugt. Ah, da sieht man (per Film) den Zimmermann, dort den Schmied. Wiehert da nicht ein Pferd?
Museale Vitrinen findet man in diesem Museum nicht. Was offen umher steht, darf auch angefasst werden. Einmal auf den Sandstein klopfen? Kein Problem. Die Schieferplatte bearbeiten? Geht doch. Geschichte hautnah erleben, hier klappt’s. Die Renaissance – zum Anfassen, Zuhören, Gucken, Staunen, zum Entdecken, Begreifen.
Es geht um Menschen, nicht um Exponate
Die antiken Exponate liegen zwar hinter Glas, aber in Kisten, die Handwerkermaterial nachempfunden sind. Die Atmosphäre bleibt so authentisch wie möglich. Alshut: „Wir erzählen in diesem Museum von Menschen. Die Exponate sind dafür nur das Vehikel.“
Weit öffnet sich der Arbeitsraum des Baumeisters. Hier wird auf einen Blick klar: Wo damals gearbeitet wurde, da wurde auch gelebt. Auf dem Bett des Baumeisters liegt eine Stoffkappe. „Die trug damals jeder im Haus, Frauen und Männer“, erklärt Alshut. Gegen den Staub, der durch die Deckenbalken rieselte, und gegen das Ungeziefer, das mit dem Dreck gleich mit von der Decke fiel. Neben dem Bett: ein Korb voller Wachslichter. Glühbirnenersatz sozusagen.
Bier war reiner als Wasser
Ein riesiges Modell der Baustelle verortet die musealen Bereiche augenfällig im historischen Geschehen.
Ach ja: Biertrinken durften die Bauarbeiter damals durchaus, denn der Gerstensaft war oft reiner als das schiere Wasser und damit weitaus bekömmlicher.