Gelsenkirchen. Die Belastung für Eltern, die ein behindertes Kind großziehen, ist groß. Viele Wissen über ihre Rechte und Möglichkeiten oft nicht Bescheid. Der Familien unterstützende Dienst in Gelsenkirchen hat es sich zu Aufgabe gemacht, den Familien zu helfen.

"Machen Sie mal Pause." Ein gut gemeinter Rat und ein Leitsatz des Familien unterstützenden Dienstes auf Hof Holz. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Familien ganzheitlich und individuell zu unterstützen, die ein behindertes Kind in ihrer Mitte haben.

„Eltern, die sich um ein behindertes Kind kümmern, stehen einem ganz anderen Aufwand gegenüber als andere Eltern“, sagt Stefan Dominik, Beauftragter für Kurse und Angebote, „wir wollen ihnen entgegen kommen und sie mit unseren Angeboten entlasten.“ Das Schöne an seiner Arbeit sei die Balance zwischen bürokratischen Abläufen und dem Kontakt zu Menschen mit Behinderung.

Doppelte Belastung

Und genau dieser Spagat ist notwendig. Zum einen, weil viele Betroffene über ihre Rechte und Möglichkeiten häufig nicht Bescheid wissen und zum anderen, weil die doppelte Belastung, gerade für berufstätige Eltern, irgendwann zu viel wird. Da braucht man Helfer, die wissen, was sie tun. „Man sagt ab 40 merkt man, dass man ein behindertes Kind großgezogen hat“, sagt Evelyne Kirsch (55), „den Beweis trete ich gerne an.“ Sie lacht. Evelyne Kirsch ist Mutter von drei Kindern und berufstätig. Ihre Tochter Michaela (36) hat Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom. Vor zwei Jahren wandten sie und ihr Mann sich das erste Mal an den Familien unterstützenden Dienst auf Hof Holz. „Da ging es um ein Reiseangebot nach Mallorca – wir wussten sofort, dass das Michaela gefallen würde“, sagt Kirsch. Doch bei einem ersten Austausch war Leiterin Sylvia Roche verdutzt. „Als ich nach der Pflegestufe etc. fragte, meinte Frau Kirsch bloß: ,Haben wir nicht.‘ Das war ungewöhnlich“, erzählt sie.

Dreimal hatte Familie Kirsch bei der Krankenkasse einen Antrag auf Pflegestufe gestellt – doch immer fiel der Befund des Gutachters negativ aus. „Dann haben wir uns gedacht, das schaffen wir auch so und haben Michaela in unseren Alltag integriert“, sagt Vater Detlef Kirsch (58). 34 Jahre lang haben sie also keine zusätzlichen Hilfeleistungen in Anspruch genommen.

Kostenlose Beratung

Gerade solche Fälle, wie der der Familie Kirsch, die mittlerweile Pflegestufe 1 sowie Verhinderungspflege erhalten, zeigt welche Schlüsselrolle der Familien unterstützende Dienst einnehmen kann.

„Uns ist es wichtig zu vermitteln, dass jede Beratung bei uns kostenlos ist“, sagt Dominik und Roche ergänzt: „Wir orientieren uns an den jeweiligen Bedürfnissen der Familie und gehen konkret auf ihre soziale Situation ein.“ Gemeinsam könne man herausfinden, welche Leistungen einem zustehen und wie man dadurch die jeweiligen Angebote nutzen könne.

Die Bandbreite der Aktionen reicht von Reisen über Ausflüge in Freizeitparks bis zu einem Schalkespiel oder auch mal in die Disco – ganz normale Aktivitäten eben.

Einzelbetreuung möglich

Doch neben den zahlreichen Gruppenangeboten, die mittlerweile rund 80 Klienten nutzen, gibt es auch eine Einzelbetreuung, wenn die Familie mal eine Auszeit braucht oder verhindert ist.

Für Familie Kirsch ist das eine besondere Hilfe. Vor zwei Jahren musste Detlef Kirsch wegen einer OP ins Krankenhaus - da war seine Frau froh zu wissen, dass Tochter Michaela während ihrer Arbeitszeit versorgt war. „Natürlich muss in solchen Fällen dann die Chemie zwischen Betreuer und Klient stimmen“, sagt Roche, „aber das prüfen wir auch in Vorgesprächen.“

Jetzt, da ihr endlich die Mittel zugestanden wurden, nutzt Familie Kirsch ihre Möglichkeiten voll aus. Michaela freut sich schon jetzt auf die nächste Reise nach Mallorca und Mutter Evelyne rät: „Man sollte sich frühzeitig erkundigen, was einem für Leistungen zustehen und welche Möglichkeiten man hat. Die Zeiten und der Umgang mit behinderten Menschen in der Gesellschaft haben sich geändert. Einrichtungen wie der Familien unterstützende Dienst leisten dazu einen wichtigen Beitrag und helfen ungemein.“