Gelsenkirchen-Buer. .

Eine Stunde lang schaute die WAZ den „Schlesiern“ Johannes und Andreas Lechtenböhmer über die Schulter - beziehungsweise auf die Finger. Auf dem Wochenmarkt in Buer.

„’Ne halbe Grützwurst, ‘ne kleine Fleischwurst mit Knoblauch, eine Viertel Pfeffersalami,...“ - Die Bestellung des Mittdreißigers ist lang. Für etwa eine Woche decke er sich beim „Schlesier“ ein, sagt er. „Der Schlesier“, das ist Metzger Johannes Lechtenböhmer (40), der jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag auf dem Markt in Buer seine Spezialitäten verkauft. „Außerdem?“ - Der junge Mann gibt die letzte Position seiner Bestellung durch: „Drei Frikadellen.“

Der Tag von Johannes Lechtenböhmer beginnt um 3 Uhr morgens in Oer-Erkenschwick: „Ware zusammenpacken, Auto beladen und ab nach Gelsenkirchen.“ Jeden Marktmorgen brät er außerdem Frikadellen. „Die Wurst wird am Vortag produziert.“ Ab 5 Uhr steht er mit seinem Cousin Andreas Lechtenböhmer (49) auf dem Marktplatz, baut den Stand auf, räumt die Theke ein. „Die ersten Kunden kommen ab halb sieben.“

Stilecht mit Riesen-Bleistift

Die Lechtenböhmers sind keine Marktschreier. Mit den Damen und Herren, die sich oft gar nicht groß umschauen müssen, weil sie schon genau wissen, was sie möchten, reden sie in Zimmerlautstärke. Brüllen muss hier niemand. Eine Dame erkundigt sich nach geräuchertem Schinken. „Knochenschinken, Rollschinken,...“, fängt Johannes Lechtenböhmer mit dem Aufzählen der in Frage kommenden Produkte an und zeigt dabei hinter sich. „Mager! Mager muss er sein!“, wirft die Seniorin ein. „Dann am besten Kernschinken“, lautet die Diagnose des „Schlesiers“, der das richtige Fleisch vom Haken nimmt, mit der Maschine einige Scheiben abschneidet, auf transparente Folie legt und anschließend wiegt - fast immer aufs Gramm genau. Übung macht eben den Metzgermeister. Die Rechnung und die einzelnen Positionen vermerkt er stilecht mit Riesen-Bleistift auf der Papiertüte. So hat er’s gelernt.

Andreas Lechtenböhmer lässt einer Stammkundin über eine andere Grüße ausrichten. „Der geht’s nicht gut, die ist jetzt in der Reha“, sagt die alte Dame, die dem 49-Jährigen eine Dose mit selbst gebackenen Plätzchen mitgebracht hat. Small Talk gehört zum Handwerk. Berührungsängste gibt es dabei keine. Als Andreas Lechtenböhmer später einer anderen Kundin von seinen geschenkten Keksen erzählt, antwortet die trocken: „Das ist aber gar nicht so gut für sie.“ Das überhört Andreas Lechtenböhmer und wischt sich die Hände an seinem weißen Kittel ab, unter dem sich kein Waschbrettbauch abzeichnet.

"Aldi steht mir bis hier"

Ab halb 10 Uhr geben sich die Kunden beim „Schlesier“ die Einkaufstüte in die Hand, dann beginnt so eine Phase des Andrangs. „Vier Scheiben von dem Schinken“, zeigt eine ältere Dame durch die Glasscheibe in die Auslage des fahrenden Metzgers. „Vom großen Schinken?“ - „Nein, kleine Scheiben.“ Was die Dame danach bestellt, geht im Stimmengewirr einiger Kundinnen unter. Eine von ihnen, so ist zu hören, hat die ganzen Discounter so satt, alles so hektisch, alles so unpersönlich. „Aldi steht mir bis hier“, hält sie sich die Handkante ans Kinn. Das Persönliche weiß auch Andreas Lechtenböhmer zu schätzen: „Im Supermarkt hätte mir die Kundin keine Dose Kekse mitgebracht.“

„Vier Mettwürstchen zum Kochen“, bestellt der nächste Fleisch-Konsument. „Fünf sind im Angebot“ Der Senior überlegt kurz, dann: „Ja, dann geben se mal.“