Gelsenkirchen. Wird Gelsenkirchen das digitale Zugpferd der Republik? Für fünf Mio. Euro entsteht hier jetzt ein KI-Anwendungszentrum. Das wird hier vollbracht.
Städte-Rankings sind für Gelsenkirchen dann kein unangenehmes Thema, wenn es um die Digitalisierung geht. Im Vergleich steht man meist ordentlich da, wenn es etwa um digitale Technologien in der Stadtentwicklung geht. Jetzt aber will die Stadt noch einen draufsetzen – und zum Zugpferd in Sachen KI werden: Für rund fünf Millionen Euro entwickelt man nun mit der Westfälischen Hochschule (WH) das „Anwendungszentrum Künstliche Intelligenz für Kommunen“ - ein ambitioniertes Projekt, das mit entsprechend großen Worten vorgestellt wurde: „Gelsenkirchen soll zum Zentrum von KI-Anwendungen im öffentlichen Dienst werden“, verkündete Stadtrat Simon Nowack, verantwortlich für die Digitalisierung und Wirtschaftsförderung in der Stadt.
Gelsenkirchen als „Hidden Champion“ in Sachen Digitalisierung
Man sei ja ohnehin ein „Hidden Champion“, was die Digitalisierung angeht, so Nowack. Jetzt soll die Förderung aus dem Bund ermöglichen, „dass in Gelsenkirchen Anwendungsfälle aus der ganzen Republik getestet werden“. Man wolle etwas schaffen, „das für alle 11.000 Kommunen in Deutschland gedacht ist“, ergänzte Norbert Pohlmann, Professor für Cyber-Sicherheit an der WH. „Und die Themenvielfalt ist dabei sehr groß.“ Sechs „Innovationsbereiche“ wurden im Projekt identifiziert: Stadt- sowie Mobilitätsplanung, Klimaanpassung, Gebäudeversorgung, Bevölkerungsschutz und Verwaltungsdienstleistungen.
Damit man in all diesen Bereichen auch wirklich etwas entwickelt, was die Städte gut gebrauchen können, wird eine Art Wettbewerb gestartet: „Wir werden alle Kommunen motivieren, mit uns Ideen zu entwickeln und Anwendungsbereiche identifizieren, wo KI einen echten Mehrwert stiften kann“, sagte Pohlmann. Die Lösungen sollen entsprechend auch allen anderen Städten und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Gelsenkirchen soll also nicht weniger als den KI-Standard liefern. Die entstehenden Projekte müssen bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Bis dahin steht das Fördergeld zur Verfügung.
Neues Gelsenkirchener Mega-Projekt soll „kommunalen Datenschatz“ heben
„Wir als Kommunen haben verdammt viele und verdammt spannende Daten“, sagte Manfred vom Sondern, der Chief Information Officer der Stadt. Nur würde man aus vielen, vielleicht gar aus Zufall gesammelten Daten, am Ende viel zu wenig machen. Die Stadt experimentiert deshalb seit Jahren in ihrem Freiluft-Labor an der Arena, dem sogenannten „Open Innovation Lab“, und versucht dort, smarte Anwendungen aus den Daten zu formen. Man erarbetete sich den Ruf als „Vernetzte Stadt“ und konnte so Fördermittel in Höhe von satten 11,5 Millionen Euro vom Bauministerium erhalten. Das KI-Anwendungszentrum ist als Teil dieser XXL-Förderung zu sehen.
Wie man die „kommunalen Datenschätze“ hebt, wird auch an der WH bereits seit vielen Jahren erprobt, wie Mathematik- und Informatik-Professor Christian Kuhlmann ergänzte. So habe man beispielsweise bereits in der automatisierten Erkennung von Straßenschäden Erfahrungen gesammelt. Bekannt ist die WH auch für ihre mit massenhaften Daten gefütterten Drohnen und Roboter, die Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte in Krisenfällen unterstützen – etwa, indem sie abgebrannte Häuser nach Einsturzgefährdung untersuchen.
Kommunale Verwaltung „ins 21. Jahrhundert kapitulieren“
Offenbar konnte die WH mit dieser bereits vorhandenen KI-Expertise so überzeugend auftreten, dass sie sich für das Projekt in einer europaweiten Ausschreibung durchsetzen konnte. Zusätzlich sind weitere namhafte Forschungseinrichtung bei dem neuen KI-Anwendungszentrum mit an Bord. So gleich zwei Fraunhofer-Institute (FOKUS und IAIS), das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und das Hertener Unternehmen Prosoz.
Buschmann lobt neues Projekt
„Gelsenkirchen kann dadurch zum Vorreiter in bedeutenden Zukunftsfragen werden. Dies schafft Entwicklungschancen, um den Bürgerservice und den Kontakt zwischen Wirtschaft und Verwaltung zu verbessern und zu beschleunigen“, sagte der Gelsenkirchener und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu der Gründung des neuen Anwendungszentrums für KI in Gelsenkirchen.
„Was früher in Gelsenkirchen die Kohle war, könnte zukünftig die Künstliche Intelligenz sein: ein ergiebiger Steinbruch für gute Arbeit und Wohlstand in unserer Region“, so Buschmann in einer Pressemitteilung.
„Wir sind stolz auf das professionelle Team, das wir hier zusammengestellt haben“, sagte Professor Norbert Pohlmann. Ziel sei es, mit den KI-Anwendungen nicht nur bessere und zielsicherer Entscheidungen in den Rathäusern zu treffen, sondern auch Personalressourcen zu schonen und den allgegenwärtigen Arbeitskräftemangel zu kompensieren. Es werde Zeit, wie es Nowack formulierte, „dass die kommunale Verwaltung in das 21. Jahrhundert katapultiert wird.“