Gelsenkirchen-Neustadt. Welche Rolle Pläne für ein neues Einfallstor zum Gelsenkirchener Süden und eine neue Schule beim Streit um einen denkmalgeschützten Adelssitz spielen.

Wenn Fragezeichen menschliche Form annehmen könnten, so wäre Michael Thomas Fath so etwas wie eine lebendige Verkörperung. Der Bezirksbürgermeister (SPD) hat in der Vergangenheit schon so oft bei Sitzungen der Bezirksvertretung Süd den Tagesordnungspunkt „Haus Leithe“ aufgerufen, dass er die Anzahl kaum mehr benennen kann.

Die Erwartungen Faths und des Gremiums sind, was Fortschrittsmeldungen beim Thema „Umwandlung des Rittergutes in modernen Wohnraum“ anbelangt, deshalb im Laufe der letzten Dekade auf ein Minimum geschrumpft. Auch dieses Mal hatte die Verwaltung wenig mitzuteilen, das Spärliche reichte aber immerhin aus, um einen Funken Hoffnung zu entzünden.

Gelsenkirchener Adelssitz: Projektentwickler bei Rittergut Haus Leithe ausgestiegen

Das hängt vor allem damit zusammen, dass nur noch von einem Eigentümer und Hauptverantwortlichen die Rede ist. „Und mit dem wird die Stadt erneut in Verhandlungen treten.“ Damit beginnen zugleich die Möglichkeiten, aber auch die Schwierigkeiten. Wie verzweifelt die Lage ist und war, erkennt man an einem der letzten Vorschläge zur Immobilie aus dem Jahr 1565, die zu den ältesten in Gelsenkirchen gehört: Enteignung. Jüngst schlug das Stadtteilarchiv Rotthausen eine Umwandlung in ein Museum vor.

Eigentümer Jörg Zahn aus Dortmund hatte sich zur Verwirklichung seines Bauprojektes Haus Leithe den Moerser Projektentwickler Olaf Elker mit seiner Firma VIP-Home mit ins Boot geholt. 3,5 Millionen Euro sollten ins Rittergut investiert werden. In zwei Phasen sollten in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde acht elegante Eigentumswohnungen und 14 Reihenhäuser entstehen. Rund 350.000 standen auf dem Preisschild für ein schmuckes Heim. Fünf der elf Einheiten aus Bauphase eins seien verkauft, so lautete der Stand vor vier Jahren. Geänderte Baupläne, Vermarktungsschwierigkeiten und das Gezerre um zu erhaltene Bausubstanz (Denkmalschutz) haben die Pläne pulverisiert. Von der Homepage des Projektentwicklers ist Haus Leithe verschwunden.

So sahen die Pläne für das Rittergut Haus Leithe aus. Eigentumswohnungen und Reihenhäuser sollten entstehen.
So sahen die Pläne für das Rittergut Haus Leithe aus. Eigentumswohnungen und Reihenhäuser sollten entstehen.

Rein ökonomisch betrachtet ist ein Abriss des vor sich hin verfallenden, alten Rittergutes und eine anschließende Vermarktung am lukrativsten. Solange aber das ungenutzte Ensemble weiterhin geschützt bleibt, besteht von Amtswegen keine Handhabe - siehe den Fall St. Mariä Himmelfahrt in Rotthausen. Es reicht, wenn der Eigentümer seinen Sicherungspflichten per Zaun, Türsperren und Fenstergittern nachkommt.

Städtische Umbaupläne für den Gelsenkirchener Süden treiben die Preisspirale an

Wie die WAZ aus gut unterrichten Kreis erfahren hat, gibt es bei den Kaufverhandlungen weit auseinanderliegende Preisvorstellungen. Die Rede ist von „marktfernen Forderungen“. Das hat vor allem damit zu tun, dass das Gebiet rund um Haus Leithe ein völlig neues Erscheinungsbild erhalten soll. Die Verwaltung plant ein völlig neues, modernes Einfallstor zum Stadtsüden nebst Stau-ärmerer Verkehrsführung. Ein Rechtsabbieger zur Hattinger Straße soll dazu realisiert und das Haus Leithe in die Planung einbezogen werden. Außerdem ist das Gelände am Junkerweg ein potenzieller neuer Schulstandort. Alles Faktoren, die den Preis für Haus Leithe maßgeblich mit beeinflussen.

Inwieweit das geplatzte Wohnprojekt und die verpassten Vermarktungschancen eine Rolle spielen, welche Preisvorstellungen der Eigentümer hat, das und mehr hätte die WAZ gerne von Jörg Zahn erfahren. Der Unternehmer bestätigte lediglich auf Anfrage, dass er auf „einen Gesprächstermin mit Vertretern der Stadt warte“. Weitere Fragen beantwortete er nicht.

Dafür aber Marcus Christian Dey. Der Düsseldorfer Immobilienmakler erklärte gegenüber der WAZ, dass er von Zahn den Auftrag erhalten habe, „einen Käufer für das Rittergut zu finden“. Der aufgerufene Kaufpreis beträgt 490.000 Euro - für rund 1.668,2 Quadratmeter Wohnfläche auf einem 4.625 m² umfassenden Grundstück. Überzeugen sollen einen Investor bzw. Projektentwickler laut Exposé unter anderem „10 genehmigte Wohneinheiten und 10 Carports/Außenstellplätze“.

Besonders ärgerlich an der Causa Haus Leithe ist, dass sich die Stadt selbst der Möglichkeit beraubt hat, das Gebiet voranzubringen. Denn das Gebäude-Ensemble hat lange Zeit der Stadt und später ihrer Tochter selbst gehört. Vor mehr als 100 Jahren, 1914 nämlich, kam das Haus Leithe in den Besitz der Stadt. 1986 wurde es in die Denkmalliste eingetragen. Seit 1997 gehörte es zum Eigentum der GGW. Die Gelsenkirchener gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft trennte sich aber im Jahr 2012 von dem Baudenkmal – und das für gerade einmal 200.000 Euro.