Gelsenkirchen-Buer. IHK und Handwerkskammer mit Sitz in Buer wollen am Gelsenkirchener Bildungscampus „präsent“ sein. Politik sieht „Benachteiligung“.

Der Bildungscampus im Gelsenkirchener Süden, er ist noch Zukunftsmusik. Trotzdem bringen sich immer mehr Einrichtungen in Stellung, um dort „Präsenz zu zeigen“, wie es heißt. Dazu gehörten zuletzt auch: die Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen und die Handwerkskammer (HWK), beide jeweils mit bisherigem Sitz in Buer. Droht nun deren Wegzug aus dem Stadtnorden? Schon die Aufgabe des Amtsgerichts an der Goldbergstraße und des Finanzamts am Rathausplatz hatten viele Zeitgenossen kritisiert und von einem „Ausbluten“ Buers zu Gunsten des Stadtsüdens gesprochen. Das ist der Stand.

Sowohl die IHK als auch die HWK bilden wichtige Anlaufstellen für heimische Unternehmen, teils auch über die Grenzen Gelsenkirchens hinaus. Die 40 Beschäftigten am IHK-Standort Emscher-Lippe etwa unterstützen am Rathausplatz interessierte Arbeitgeber bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften, beraten in Qualifizierungs-Fragen, helfen bei der Gründung und fördern das Unternehmenswachstum. Außerdem unterstützen sie Firmen in Fragen zur Außenwirtschaft, zu Energie- und Umweltschutzthemen sowie zu Recht und Steuern.

IHK mit Sitz in Gelsenkirchen-Buer setzt auf Seminare am geplanten Bildungscampus

Da sei berufliche Aus- und Fortbildung ein wichtiges Anliegen, betont Dr. Jochen Grütters, Leiter des IHK-Standorts Emscher-Lippe und stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen – und stellt auf Nachfrage der Redaktion klar: „Wir tragen uns nicht mit dem Gedanken, unseren Sitz in Buer Richtung Stadtsüden zu verlagern.“ Es gehe vielmehr beim „Präsenz zeigen“ auf dem Bildungscampus darum, in dem geplanten Neubau neben dem vorgesehenen Zentralbad Seminare und Kurse anzubieten.

„Unsere jetzigen räumlichen Kapazitäten am Rathausplatz reichen dafür längst nicht mehr aus. Wir mieten schon seit Jahren etwa für Prüfungen zusätzliche Räume in Schulen an. Das wird dann hoffentlich in Zukunft nicht mehr nötig sein“, so Grütters weiter. Er setzt darauf, dass die Konzentration mehrerer Bildungsanbieter an einem zentralen Standort in Nähe des Hauptbahnhofs besonders attraktiv wirkt und zu einer „Marke“ wird.

Handwerkskammer sieht Geschäftsstelle in Gelsenkirchen-Buer „unabhängig vom Campus“

Als Abwertung Buers will er das Vorhaben keinesfalls verstanden wissen. Ganz im Gegenteil befinde sich die IHK Emscher-Lippe genau in der Mitte von Bottrop, Gelsenkirchen und Kreis Recklinghausen, für die der Standort zuständig sei. „30 Prozent unserer Mitglieder im Regierungsbezirk Münster kommen aus der heterogenen Emscher-Lippe-Region, da macht der Sitz in Buer strategisch absolut Sinn.“ Er geht davon aus, dass dies „auch auf längere Sicht so bleiben wird“. Die IHK Emscher-Lippe ist seit den 50er Jahren am Rathausplatz ansässig.

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Auch die Handwerkskammer Münster mit Geschäftsstellen-Sitz an der Vom-Stein-Straße stellt klar: Eine Standort-Verlagerung sei keinesfalls geplant. „Die Geschäftsstelle ist ein wichtiger Standort der Handwerkskammer Münster“ und funktioniere „unabhängig vom Campus“, teilt Sprecher Michael Hoffmann mit. In der Geschäftsstelle am Rande von Buer sind acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz, die selbstständige Handwerker und deren Beschäftigten informieren und beraten. Auch Bildungsangebote gehören zu den Aufgaben der HWK. Wie genau die Präsenz am neuen Bildungscampus aussehen könnte, sei noch völlig unklar.

FDP sieht in Weggang von Finanzamt und Amtsgericht „Schächung“ Gelsenkirchen-Buers

Der FDP-Stadtverordnete Christoph Klug, der die Entwicklung Buers als Gastronom und Kommunalpolitiker seit Jahren verfolgt, kommentiert diese Standortbekenntnisse mit einer Mischung aus Erleichterung und Kritik an Entscheidungen in der Vergangenheit. „Sowohl Industrie- und Handelskammer als auch Handwerkskammer sind seit Jahren in Buer fest verankert. Wenn sie sich zu einer Verlagerung entscheiden würden, wäre dies ein herber Verlust nicht nur für den lokalen Handel und die Gastronomie, die von den Beschäftigten als Kunden und Gästen profitieren, sondern auch was die politische Bedeutung für Buer angeht. Solche Institutionen wirken identitätsstiftend.“

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Der Weggang von Finanzamt (2015) und Amtsgericht (Ende 2015) habe Buer bereits nachhaltig geschwächt. Das einst selbstständige Buer sei zwar ein Teil Gelsenkirchens, müsse aber auch als Standort funktionieren und dürfe nicht „ausbluten“. Als kritisch bewertet er da etwa, dass der Erlös aus dem Verkauf der Waldbogen-Grundstücke ausschließlich in den Stadtsüden investiert werde. „Da wird Buer vernachlässigt.“ Auch dass die Stadtmarketing-Gesellschaft als Stadttochter sich vornehmlich im Süden Gelsenkirchens engagiere, sei „schwierig“.